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Stars der NS-Zeit: Des Teufels Prinzipal

Opportunismus oder Subversion? Künstlerdramen über die NS-Zeit von Istvan Szabo, Rainer Werner Fassbinder und Kurt Maetzig.

Heinz Rühmann, Heinrich George, Emil Jannings – drei Stars des deutschen Kinos. Ihre Karrieren begannen in den zwanziger Jahren, bis 1945 strebten sie ihrem Höhepunkt zu. Zum Dank für ihre kooperative Haltung in der von Joseph Goebbels kontrollierten Filmbranche trugen alle drei den Ehrentitel Staatsschauspieler und wurden mit Ämtern betraut.

George galt in der Weimarer Republik als Sympathisant der Linken, spielte ab 1933 exponierte Rollen in Propagandafilmen, trat mehrfach unter der Regie von Veit Harlan auf und starb kurz nach Kriegsende in sowjetischer Haft. Emil Jannings galt als kongenialer Darsteller großer historischer Persönlichkeiten, die im NS-Kino in den Dienst der Ideologie gestellt wurden. Er spielte häufig für Hans Steinhoff, neben Harlan der produktivste Regisseur von Propagandastoffen. Jannings wurde 1946 zwar entnazifiziert, übte seinen Beruf jedoch nicht mehr aus. Schließlich Heinz Rühmann, der die Liste der beliebtesten deutschen Schauspieler aller Zeiten anführt. Sein Fach war die Komödie. Aber erfüllt nicht auch sie in einer Diktatur propagandistische Zwecke, ob der Schönfärberei oder des Eskapismus?

Diese Frage stellt der amerikanische Major Arnold, der mit Recherchen zu Entnazifizierungsanträgen betraut ist, dem Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker Wilhelm Furtwängler in Istvan Szabos Film „Taking Sides“ (2001). Der Amerikaner fragt, unter dem Eindruck des Holocausts: Wie kann man als Künstler in einer Diktatur unpolitisch sein, wie es Furtwängler in den Verhören für sich in Anspruch nimmt? Wie konnte er in einem Land bleiben, aus dem so viele seiner jüdischen Kollegen emigrieren mussten? Wieso hatte er sich zum Staatsrat ernennen lassen? Und musste er Hitler die Hand schütteln?

Furtwängler half Juden. Musste er Hitler die Hand geben?

Er habe, so Furtwängler, Freiheit, Humanität und Gerechtigkeit durch Musik bewahren wollen, habe – was historisch verbürgt ist – sich für jüdische Musiker eingesetzt, vielen zur Flucht verholfen und Verfolgte versteckt. Szabo inszeniert den Kampf eines wütenden Pragmatikers gegen einen weltfernen Schöngeist: Harvey Keitel spielt einen rachebesessenen Major, Stellan Skarsgard einen zutiefst verstörten Furtwängler. Die Frage bleibt offen: Kann ein prominenter Künstler in einem Unrechtssystem unschuldig, ja unpolitisch bleiben? Kann Kunst überhaupt von ihren Produktionsbedingungen unabhängig sein?

20 Jahre früher hatte sich Szabo schon einmal mit einem Künstlerschicksal im Nationalsozialismus beschäftigt, wieder anhand einer realen Biografie. Seine Adaption von Klaus Manns Roman „Mephisto“ porträtiert den opportunistischen Schauspieler und Intendanten Hendrik Höfgen, alias Gustaf Gründgens. Weniger abwägend inszeniert, interpretiert Klaus Maria Brandauer den Darsteller, Regisseur und Theaterleiter als einen von Eitelkeit getriebenen, karriereversessenen Egomanen. Hatte er sich in der Weimarer Republik noch als antibürgerlich und sozialistisch geriert, schwenkt er nun eilfertig auf NS-Linie um. Auch er behauptet, er könne die wahren Werte hinüberretten in eine bessere Welt und könne Menschen helfen, indem er seinen Einfluss geltend macht.

In Brandauers Darstellung ist Höfgen ein schwacher Charakter, der den Versuchungen des Teufels erliegt. In seiner Theaterrolle des Mephisto ist er deshalb so erfolgreich, weil er die Mechanismen der Verführung aus der Faust’schen Perspektive nur zu gut kennt. Erschreckender Gedanke: Die Schauspielkunst profitiert von ihrer Indienstnahme. Szabo spricht seine Protagonisten nicht von der Verantwortung frei, die sie als Aushängeschilder des NS-Regimes tragen, zuallererst vor sich selbst. Auch lässt er keinen Zweifel daran, dass der Status des Prominenten mehr Mut und Reflexionsvermögen verlangt als der des Durchschnittsbürgers.

Gefahren der Verführung: Mephisto kennt sie nur zu gut

Der kompromittierte Star: Auch Fassbinder, eine der wichtigsten Bezugsgrößen Oskar Roehlers, hat sich damit befasst, anhand von Frauenfiguren. In „Die Sehnsucht der Veronika Voss“, einem Film in unversöhnlich hartem Schwarz-Weiß, kann man sehen, was aus Ferdinand Marian wohl geworden wäre, hätte er weitergelebt: eine tragische Nachkriegsfigur.

In „Lili Marleen“ singt Hanna Schygulla alias Willie die auch bei der Wehrmacht beliebte Landserschnulze. Sie sagt: „Es ist doch nur ein Lied“ – und man denkt an Hitlers Liebling Zarah Leander, die den Titel der Staatsschauspielerin ablehnte. Aber Fassbinder fügt dem Showglamour drastische Kriegsbilder hinzu, er macht die Verstrickung zum Montageprinzip. Willie ist zwar keine sexy Spionin wie Diane Kruger, die als Ufa-Star in Tarantinos „Inglorious Basterds“ die „Operation Kino“ gegen Hitler und Co. mit anzettelt. Aber auch Willie unterstützt ihren jüdischen Liebsten mit den Waffen einer Frau. Allerdings verliert sie ihre Liebe über das doppelte Spiel. Dass Fassbinder selbst kurz als Chef der Untergrundorganisation auftritt, der die Sängerin recht barsch für den Widerstand einspannt, ist bezeichnend: Die Instrumentalisierung von Künstlern bleibt fraglich, auch für den noch so guten Zweck.

In einem Defa-Film von 1947, „Ehe im Schatten“, hat Kurt Maetzig ein anderes Schauspielerschicksal nachgezeichnet, basierend auf der realen Biografie des Schauspieler Joachim Gottschalk. Dessen jüdische Frau, ebenfalls Schauspielerin, hatte Berufsverbot und sollte deportiert werden. Gottschalk lehnte es ab, sich scheiden zu lassen, die Familie nahm sich das Leben. Bei Maetzig sind die Eheleute Exilierte in ihrer eigenen, immer enger werdenden Welt. Seine Freiheit zahlt Gottschalk mit dem Tod.

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