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Kultur: Staub aufwirbeln

Eine

von Kai Müller

Wie leicht fällt es „Schurkenstaaten“, zur Atommacht zu werden? Müssen sie – wie Iran und Nordkorea – erst Atomkraftwerke bauen, um an das begehrte Plutonium heranzukommen? Oder geht es vielleicht einfacher? Wenn man den Ausführungen des Historikers Rainer Karlsch glauben darf, dann hat sich das Dritte Reich nicht schwer getan, etwas, das wir heute als „Kernwaffe“ bezeichnen würden, unter widrigsten Umständen bis zur Patentreife zu bringen. Bei der Vorstellung seines schon vorab viel diskutierten Buches „Hitlers Bombe“ (Tsp. vom 14. März) umriss der Autor gestern in Berlin einen bislang nur vom Hörensagen bekannten deutschen Sonderweg zur Atomstreitmacht. Danach soll unabhängig von Werner Heisenbergs Anstrengung, einen Brutreaktor zum Laufen zu bringen, schon 1943 die Konstruktion einer thermonuklearen Fusionsbombe in Angriff genommen worden sein. Die Forschung wurde bis in die letzten Kriegswochen hinein fortgesetzt. „Es war die Zeit“, erklärt der USHistoriker Marc Walker, „da viele Wissenschaftler alles versuchten, irgendeine Waffe zu entwickeln, die die Kriegslage noch ändern würde“.

Wir kennen diese Waffe heute als Wasserstoffbombe, und so etwas sollen NS- Physiker auch schon entworfen haben? Es sei leichter, als man denkt, erklärte Friedwardt Winterberg, ein rüstiger Physikprofessor, der bei Heisenberg studiert und später mit dessen „Uranverein“-Rivalen Kurt Diebner zusammengearbeitet hat. Dem verdutzten Publikum bei der Buchpräsentation in der Bundespressekonferenz erläuterte er die Konstruktionsmerkmale einer „Booster-Bombe“. Dafür malte er ein kugelsymmetrisches Objekt an die Tafel, dessen Sprengung im Innenraum eine so starke Verdichtung des radioaktiven Materials erzeuge, dass man mit weniger als einem Kilogramm für eine kritische Masse auskomme. Großtechnische Anlagen wie beim „Manhattan-Projekt“ brauche man dafür nicht. Wie Diebner schon wusste, sei alles nur eine Frage des Implosionsdrucks. So werden Hitlers Physiker nachträglich zu Pionieren einer nuklearen Miniaturisierung, die heute unsere schlimmsten Terrorängste schürt.

Das einzige Problem, räumte Winterberg ein: Man müsse die Sache erst einmal durchrechnen.

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