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Kultur: Staubfänger

Frühe Werke von Ai Wei Wei in der Galerie Ochs

Der Duft von frischem Tee strömt durch die Räume der Galerie Alexander Ochs. Der chinesische Künstler Ai Wei Wei hat aus gepressten Teeblättern ein Haus gebaut – das Material asiatisch, die Form europäisch (360 000 Euro). Die Skulptur verdeutlicht die Rolle des berühmtesten chinesischen Künstlers der Gegenwart als Mittler zwischen Asien und der westlichen Welt.

Die Ausstellung blickt zurück in die Zeit des New Yorker Exils, als Ai Wei Wei für seine Installationen grüne Ölmäntel verwendete, als Schutz in der Fremde und universelle Arbeitskleidung. Konkret wird dies an einem nachträglich überarbeiteten Kreis aus Ölmänteln, die ausgelegt sind wie ein Zelt. Hier passt die Einfachheit der Geste zur Kargheit der Emigration. Bei anderen Arbeiten befremdet die Zurückhaltung in der künstlerischen Gestaltung. Für „Dust to Dust“ hat Ai Wei Wei den Staub von irdenen Gefäßen in Apothekergläser gefüllt, die nun wie Urnen in einem Regal stehen, als Denkmal für die untergehende Tradition (350 000 Euro). In seiner Durchlässigkeit für gesellschaftliche Prozesse erinnert Ai Wei Wei mitunter an den verstorbenen Christoph Schlingensief.

In einem Durchgangsraum hängt das vergrößerte Röntgenbild vom Kopf des Künstlers, deutlich sichtbar das lebensgefährliche Hämatom. Ai Wei Wei hatte nach dem Erdbeben in Chengdu recherchiert. Als er vor Gericht zur Korruption aussagen wollte, erhielt er nachts einen Schlag auf den Kopf. Im selben Raum sind nun die Namen der fast fünftausend Schüler zu lesen, die bei dem Erdbeben 2008 starben. Dazu erklingt das Requiem, das der chinesische Rockstar Zuoxiao Zuzhou für Ai Wei Wei geschrieben hat.

In der Galerie lässt sich erkennen, wie sich das Werk in verschiedene Richtungen ausbreitet, statt stringent eine Linie zu verfolgen. Der Künstler, der nächste Woche eine Ausstellung in der Londoner Tate Modern eröffnet, nutzt alle Materialien und Medien, das Internet ist sein Element. Er stellt Faltskulpturen aus bronzierten Stahlblechen her, die leicht wie Papierschiffchen aussehen. Er baut ein Haus aus Tee und fängt flüchtigen Staub. Ai Wei Wei ist bestens vernetzt, balanciert in China riskant zwischen Establishment und Opposition und verweigert immer die Eindeutigkeit. Der einzige gemeinsame Nenner seiner Arbeiten ist vielleicht: Sie führen scheinbar unvereinbare Gegensätze zusammen. Simone Reber

Alexander Ochs Galleries, Sophienstr. 21; bis 20.11., Di - Fr 10 - 18 Uhr, Sa - 18 Uhr.

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