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Kultur: Stellverdreher

Berliner Ensemble: Wirft Hochhuth Peymann raus?

Überraschung in der Abendstunde. „Hochhuth kündigt Peymann als Hausherr am Berliner Ensemble“, meldet dpa. Claus Peymann sitzt zu der Zeit im Zug nach Ludwigshafen, zu einem Gastspiel. Aus dem BE kommt die lapidare Mitteilung: „Eine Kündigungserklärung des Herrn Hochhuth ist sowohl Herrn Peymann als auch dem BE unbekannt.“ Auch aus der Kulturverwaltung heißt es, eine Kündigung liege nicht vor.

Aber es gibt ein Schreiben des Dramatikers, der am 1. April 75 Jahre alt wird, das offensichtlich an Kultursenator Flierl gerichtet ist. Darin wirft Hochhuth dem BE-Chef vor, er habe das Haus „unzählige Male zu Zwecken vermietet, die weder mit Kunst noch mit Schauspiel das Geringste zu tun haben.“ Hochhuth weist auf eine Jubiläumsfeier der CDU im Berliner Ensemble hin, wofür 22 000 Euro gezahlt worden seien. Und er fügt hinzu: „Zweifellos ist Peymann nicht nur der bedeutendste Geschäftsmann unter Deutschlands Regisseuren, sondern auch der finanziell skrupelfreieste.“

Eine Posse? Ein Skandal? Da gibt es erst einmal ein kleines juristisches Problem. Hochhuth kann Peymann gar nicht kündigen. Hochhuth vertritt die Ilse-Holzapfel- Stiftung, die als Eigentümerin der Theaterimmobilie am Schiffbauerdamm mit dem Land Berlin einen Pachtvertrag geschlossen hat, nicht mit dem BE. Dieser läuft bis 2012, mit einer Option bis 2027. Schnell passiert da nichts. Die Holzapfel-Stiftung ist nach Hochhuths Mutter benannt. 1995 hatte die Stiftung die Immobilie von den restituierten jüdischen Alteigentümern übernommen. Zweck der Stiftung ist, an die Verfolgung und Ermordung der Juden im „Dritten Reich“ zu erinnern. Und wenn man Hochhuth richtig versteht, geschieht dies am besten mit seinen eigenen Texten.

Hochhuth beklagt sich seit Jahren darüber, dass seine Stücke am BE zu wenig oder gar nicht gespielt würden. Das BE hat den „Stellvertreter“ im Repertoire, Hochhuths berühmtestes Stück über die Rolle des Vatikans in der Nazi-Zeit. Hochhuth-Dramen waren zuletzt im Theater der Stadt Brandenburg uraufgeführt worden.

Nun fordert der Dramatiker den Kultursenator auf, Peymann ans Schiller-Theater zu versetzen. Er, Hochhuth, wolle „die Enkeltochter Brechts, Johanna Schall (...) bitten, als Schauspieldirektorin (..) künftig ans BE zu kommen.“ Denn: „Wer wie Peymann künstlerisch nichts riskiert, ist jedenfalls im Hause Brechts lange genug gewesen, wenn er dort zehn Jahre selbstherrlich der alleinige Gebieter war.“ Tatsächlich leitet Peymann, 68, das Berliner Ensemble seit 1999. Sein Vertrag läuft bis 2009. Hochhuth nennt Peymann „Max Reinhardt II.“ Das ist ein bisschen viel der Ehre. Auch unter Feinden. R. S.

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