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Kultur: Sterne und Steine

Zeichen setzen: Am 9. November wird in München die neue Synagoge eingeweiht

In München, der ehemaligen „Hauptstadt der Bewegung“, kehrt an einen der ältesten Plätze jüdisches Leben zurück. Genau 68 Jahre nach der Reichspogromnacht wird an angestammter Stelle eine neue Synagoge eröffnet. Auf Befehl Hitlers war schon am 7. Juni 1938, fünf Monate vor der Pogromnacht, der spätromanische Vorgängerbau neben Frauenkirche und Rathaus abgerissen worden.

Die knapp 60 Millionen Euro teure neue Synagoge ist ein Meisterwerk der modernen Sakralarchitektur. Sie besteht aus zwei aufeinandergestellten, minimalistischen Kuben. Der untere, vollkommen fensterlose Kubus ist gänzlich mit Naturstein verkleidet. Er symbolisiert den Salomon-Tempel in Jerusalem und dient als Sockel für einen darauf ruhenden Glasquader. Dieser beleuchtet den genau darunter liegenden Gebetsraum und richtet zugleich den Blick der Gläubigen gen Himmel. Das Spiel von Licht und Schatten gibt dem Raum eine einzigartige Atmosphäre. Nachts strahlt aus dem Quader Kunstlicht in den Himmel über der Stadt. Die netzförmige Stahlkonstruktion besteht aus einem Dreiecksmuster, das Davidsterne bildet. Die abstrakten, archaischen Kuben der neuen Synagoge wirken gleichzeitig skulptural und massiv, sinnlich und einfach. Ihre ganze Wirkung werden sie entfalten, wenn im kommenden Frühjahr auch das benachbarte Jüdische Museum eingeweiht wird, das auf einem Glassockel ruht.

Ein dritter Neubau am St.-Jakobs-Platz ist das Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, in dem sich Bibliothek, Sporthalle, Volkshochschule, Kindergarten, Schule, Verwaltung und Café um einen begrünten Innenhof gruppieren. Alle drei Teile dieses Ensembles oder „Schtetls“, wie die Architekten es nennen, fügen sich zwar in den kleinen Maßstab des Jakobsplatzes ein, setzen durch ihre Schrägstellung aber dennoch einen eigenen städtebaulichen Akzent. Der Neubau des jüdischen Zentrums in München ist das größte Bauvorhaben einer jüdischen Gemeinde in Europa. Während immer mehr Kirchen in Deutschland geschlossen werden, „boomt“ aufgrund der vielen Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion umgekehrt der Synagogenbau, wie die Neugründungen in Bochum, Mainz, Chemnitz, Kassel und Gelsenkirchen zeigen.

Das neue Münchner Gotteshaus, das am 9. November eingeweiht wird, ähnelt nicht zufällig der Synagoge in Dresden. Beide wurden von dem Architekturbüro Wandel Hoefer Lorch und Hirsch entworfen. Während das Saarbrücker Büro im stark kriegszerstörten Dresden einen städtebaulichen Anker am östlichen Elbpanorama schaffen wollte, mussten die Architekten in München auf eine diffizile Innenstadtlage reagieren. In beiden Fällen nutzen die Planer das spannungsvolle Spiel von Kuben. In Dresden spannen sie zwischen Brühl’scher Terrasse und Carola-Bücke einen geschützten Innenhof auf, während sie in der bayrischen Landeshauptstadt übereinandergetürmt wurden und so einen Platz in der Silhouette der Stadt beanspruchen wie einst die Münchner Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße von 1887, die für die Akzeptanz und gesellschaftliche Bedeutung der jüdischen Gemeinschaft stand.

Wandel Hoefer Lorch und Hirsch haben schon beim Entwurf der Frankfurter Schoa-Mauer eine architektonische Sensibilität bewiesen, die sie fern von postmodernen Klischees hält. Nach Jahrzehnten des Provisoriums in der etwa tausend Meter entfernten Reichenbachstraße wird der Neubau nun der – nach Berlin – mit 9000 Mitgliedern zweitgrößten jüdischen Gemeinde in Deutschland als neues Zentrum dienen. Ein Ort der Spiritualität und Einkehr, der sich aber auch genauso einer handfesten Gemeinde- und Bildungsarbeit widmen wird.

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