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Kultur: Stiftung Kunsttest: Vier Künstler sind im Rennen

Das Vorbild - das zeigte das Profil des neuen, von den Freunden der Nationalgalerie ausgelobten Berliner Kunstpreises deutlich - ist der renommierte britische Turner-Preis. Bereits die Anglizismen der Ausschreibung setzen auf internationalen Standard.

Das Vorbild - das zeigte das Profil des neuen, von den Freunden der Nationalgalerie ausgelobten Berliner Kunstpreises deutlich - ist der renommierte britische Turner-Preis. Bereits die Anglizismen der Ausschreibung setzen auf internationalen Standard. Auch mit den vier nominierten Künstlern der "Shortlist" sucht man den Vergleich mit dem Londoner Pendant. Mit einer dreimonatigen Ausstellung soll der Diskurs um die zeitgenössische Kunst belebt, sollen neue Qualitätsmaßstäbe gesetzt werden.

Jung (unter vierzig) mussten die potenziellen Gewinner sein und in der deutschen Kulturlandschaft ausreichend präsent, um als Repräsentanten der hiesigen Kunstszene zu gelten. Entsprechend versammelt der neue Preis ein Konglomerat aus Künstlerpersönlichkeiten, die im Einzugsbereich der Berliner Republik anzusiedeln sind: OlafurEliasson, Katharina Grosse, Christian Jankowski und Dirk Skreber. Warum das Votum der Jury gerade auf diese Vier fiel, blieb bislang verborgen. Die Begründungen werden wohl in den Festreden am heutigen Eröffnungsabend nachgereicht.

Der Begriff "Shortlist" impliziert schließlich auch die Existenz einer "Longlist", die mit insgesamt 113 Kandidaten bei 130 Nennungen verhältnismäßig kurz geraten ist. Vorschläge durften neben den Mitgliedern des Vereins der Freunde der Nationalgalerie weltweit von allen Kunstvereinen und Museen eingereicht werden. Ob die zögernde Beteiligung auf die Novität des Preises zurückzuführen ist oder auf Ressentiments gegenüber der übermächtigen Berliner Kunstszene, wird sich zeigen.

In Großbritannien ist man dieses Jahr vergleichsweise progressiv. In London sind mit Glen Brown, Michael Raedecker, Tomoko Takahashi und Wolfgang Tillmans ein Brite, ein Niederländer, eine Japanerin und ein Deutscher nominiert. Die Jury ließ damit die nationalen Grenzen souverän hinter sich. Auch bei der Altersgrenze geht es im Vereinigten Königreich politisch korrekter zu, denn hier gilt man bis zum Alter von 50 Jahren als jung und preiswürdig.

Als kulturelles Kapital erhalten die vier Berliner Nominierten ebenfalls nach Londoner Vorbild eine Ausstellung. Anfang Dezember folgt dann der Rundgang der Jury, die das monetäre Kapital in Form von 100 000 Mark vergibt. Der Eintausch des Preisgeldes in britische Währung ergäbe etwa 29 885 Pfund, was den mit 20 000 Pfunde dotierten Turner-Preis weit übertrifft. Die finanzielle Ausstattung des deutschen Preises verleiht ihm ein strategisches Gewicht, das er inhaltlich noch füllen muss. Alle vier Künstler haben Präsentationen in der Zentralhalle des Hamburger Bahnhofs geplant, die einen Konsens untereinander. Mit Spannung wird deshalb beäugt: Wer darf wo wieviel Raum okkupieren?

Olafur Eliasson hat hinter dem Hamburger Bahnhof Erde ausheben lassen und daraus eine Bio-Mauer durch die ehemalige Bahnhofshalle ziehen lassen. Christian Jankowski beauftragte professionelle Redenschreiber damit, eine Laudatio über alle vier potenziellen Preisträger zu verfassen. Dirk Skreber errichtete für die auratische Präsentation seiner Bilder quadratische Räume, und Katharina Grosse zog eine große L-förmigen Wand ein, die innen eine Sprayarbeit in leuchtenden Neonfarben trägt. Auf der Außenseite der Wand hat sie ein weiteres "all-over" aufgetragen, dessen horizontale Farb-Bahnen mit dem pathetischen Gestus des abstrakten Expressionismus spielen.

Insgesamt investieren die "Freunde der Nationalgalerie" in den Preis rund eine Viertelmillion. Mit dieser Investition verschaffen sie der Nationalgalerie neues Renommee auf einem Terrain, das sie bisher eher selten betreten hat. Denn junge Kunst taucht in ihrem Programm nur am Rande auf. Und auch der Hamburger Bahnhof, der die Präsentation der nominierten Künstler übernimmt, zeigt Gegenwartskunst der jungen Generation, erst wenn der Bekanntheitsgrad der Künstler für das Haus kein Risiko mehr bedeutet. Bis zum Jahresende weht dank der edlen Spende erneut frischer Wind durch die Hallen. Eine sinnvolle Investition, denn der Standort Berlin braucht eine erhöhte Aufmerksamkeit für den Bereich der jungen Kunst braucht. Allein dafür ist das Engagement des Vereins positiv zu bewerten. Dem finanziellen Kraftakt musss nun allerdings ein inhaltliches Profil folgen.

Die heutige Ausstellungseröffnung im Rahmen des Berliner "Kunstherbstes" parallel zum "art forum" ist bewusst gewählt: Er setzt ganz auf den Synergieeffekt, der sich immer dann einstellt, wenn viele sich ergänzende Ereignisse aufeinanderprallen. Eine solche Terminierung kann jedoch Tücken haben, passt die großzügige Geste doch zu perfekt in das Programm eines auf Kunst spezialisierten Hauptstadtmarketings. Die "art forum"-Besucher und potenziellen Käufer können beim Besuch der "Shortlist"-Schau als Entscheidungshilfe auf prämierte Kunst zurückgreifen. Siftung Kunsttest "Sehr gut" bei 113 getesteten Produkten? Kein anderer Bereich läßt sich besser für das Image des "Neuen Berlins" instrumentalisieren als die Kunstszene. So wird der Kunstherbst zwischen "Love Parade" und "Schaustelle Berlin" vermarktet. Wie in der Politik, so auch in der Kunst: Alles schaut auf Berlin, doch dessen Reformen werden erst mit der Zeit richtig Form gewinnen.

Matthias Mühling, Vanessa Müller

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