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Kultur: Stille Tage in Madrid

Warum die Galeristen trotz Flaute an der Kunstmesse Arco festhalten

Kaum hat man die Koffer ausgepackt, jagt die ARCOmadrid ihr finales Statement um die Welt. Und mancher Galerist, dessen aus Kunst geschnürtes Paket nach der Reise nur wenig leichter ist, mag sich verwundert die Augen reiben. Denn in dem Fazit wird gejubelt und behauptet, die jüngste Madrider Kunstmesse mit knapp 240 Teilnehmern habe sämtliche Erwartungen übertroffen. Was eigentlich nur stimmen kann, wenn alle, aber auch wirklich alle beteiligten Galerien ihre Hoffnungen angesichts der Finanzkrise zuvor auf ein Minimum geschraubt hatten.

Tatsächlich weisen viele Preise nach unten. Selbst ein Gemälde von Francis Bacon, von denen Marlborough Galleries (London) inzwischen traditionell je eines zu den internationalen Kunstmessen mitbringen, kostete mit 15,7 Mio. Euro etwas weniger als im vergangenen Jahr. Verkauft wurde die Körperstudie, zugleich das teuerstes Exponat auf der Arco, dennoch nicht. Besser fuhren Galerien wie Arndt und Partner (Berlin), die eine wunderbare Bodenarbeit von Thomas Hirschhorn und frische Gemälde von Ena Swansea eingepackt hatten – alle zu Preisen um die 40 000 Euro.

Viele Händler gaben sich mit einem Nullsummenspiel zufrieden: Verkäufe contra Unkosten. Schließlich addieren sich Anreise, Transport und die um knapp ein Viertel gestiegenen Kojenpreise der Arco zur stattlichen Summe. Mehr als 20 Teilnehmer waren deshalb im letzten Moment abgesprungen: Ihre Lücken füllte die Messe zum einen mit Galerien, die sie zuvor abgelehnt hatte und denen es aus naheliegenden Gründen nicht gelang, den Verlust an renommierten Kollegen auszugleichen. Um die übrigen Freiräume zimmerten die Messedesigner eine großzügige Kojen-Architektur mit reichlich Platz zum Flanieren – doch wem nützt das, wenn auch das Publikum zu den VIP-Terminen nicht mehr wie gewohnt einfällt?

Mit 31 Kojen waren die deutschen Teilnehmer in Madrid dieses Jahr so stark wie zuvor vertreten. Auch sie hatte die Messeleitung vor der Vernissage noch einmal angeschrieben und gebeten, an kleine, gut verkäufliche Arbeiten zu denken. Solche Bitten mögen die Sorgen der Arco um ihre Händler spiegeln. Doch hätte sich ein Galerist wie Michael Janssen (Berlin) anstelle wohlmeinender Ratschläge lieber ein echtes Statement gewünscht. Janssen war zum fünften Mal mit Künstlern wie Thomas Grünfeld, Peter Zimmermann oder Yoshitaka Amano dabei. Und obwohl er kontinuierliche Kontakte gepflegt und einen Sammlerstamm aufgebaut hat, vermisst er die Unterstützung seitens der Arco.

„Nach spanischen Kuratoren haben wir an unserem Stand vergeblich geschaut“, so Janssen. Auch sei die Jury der Arco-Stiftung für ihre Ankäufe erst einen Tag vor Messeschluss losgezogen – zu spät, um sich als Galerist noch fundiert mit seinen Positionen vorzustellen. Verkauft hat er dennoch, aber nicht an die vertrauten, sondern an gänzlich neue Kunden. Grund zum Jubeln gibt das nicht. Dass Galerist Michael Zink (München/Berlin) nicht bloß zwei Serien von Zeichnungen seines Künstlers Marcel van Eden in Museumshände und dazu ein Mädchenbild von Yoshitomo Nara für 120 000 abgeben konnte, gehört zu den positiven Ausnahmenotizen der ansonsten eher mäßigen Messe. So muss die Bilanz am Ende weitaus nüchterner und differenzierter ausfallen, als es die Arco gern hätte. Dennoch weist diese erste wichtige Kunstmesse für 2009, die nun zum 28. Mal moderne und zeitgenössische Kunst präsentiert, den künftigen Weg auch für Basel, London und nicht zuletzt Miami. Es geht um Schadenbegrenzung, es wird reguliert – und zähneknirschend draufgezahlt, weil es bei all diesen Messen um den Erhalt wichtiger Handelsplätze geht.

Gerade die Arco hat mit ihrer jungen Direktorin Lourdes Fernandez hart gekämpft, um in die internationale Liga aufzusteigen. Die strenge Ausjurierung spanischer Galerien, die zuvor gewohnheitsmäßig auf der Madrider Messe vertreten waren, gehörte dazu. Fernandez wird seitdem jedoch auch angefeindet. Good news sind in ihrem Fall überlebenswichtig, auch wenn sie aus Kompromissen resultieren. Das wissen die spanischen Sammler, die trotz der Baisse am Markt gekauft haben, und ebenso jene Galerien, die an ihrer Zusage festgehalten und nach Madrid gefahren sind – auch wenn es totenstille Tage auf der Arco gab. Und das wissen jene progressiven Kräfte, die diesen Kurs unterstützen. So wie die Kulturstiftung der spanischen Telefongesellschaft Telefónica mit ihrem großen, generösen Messestand oder die Stiftung Reina Sofia, die in diesem Jahr für einen beachtlichen Betrag einkaufen durfte.

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