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Flirt im Süden. Kristine (Dagmar Manzel) und Franck (Arthur Igual).

© Zorro Film

„Stiller Sommer“ mit Dagmar Manzel: Immer diese 68er

Suche nach der wahren Empfindung: Nana Neuls wirft in "Stiller Sommer" einen unbestechlichen Blick auf die Post-68er-Generation.

Eine stilvolle Ferienbleibe hoch oben in einem von Wäldern umgebenen Dorf in den französischen Cevennen ist bukolisches Paradies und Schreckensort zugleich in Nana Neuls Spielfilm „Stiller Sommer“. Ein launiges Chanson beschwört den ewigen Mythos des Südens, aber nichts ist einfach nur schön an diesem Fluchtpunkt für Stadtneurotiker, die schon eine Menge frustrierender Tatsachen unter den Teppich gekehrt haben.

Die Kunsthändlerin Kristine (Dagmar Manzel) weiß, dass sie einfach zu gut lügt, um nicht noch das schäbigste Tierkadaver-Objekt als Kunst zu verticken. Es verschlägt ihr buchstäblich die Sprache, als ihr Mann Herbert (Ernst Stötzner) auf den Verkauf des Ferienhauses drängt. Sie ist eine trotz Geld und Status frustrierte Fifty-Something-Schönheit (eine bessere Friseurin am Set hätte Dagmar Manzel, pardon, gutgetan), er ein auf den ersten Blick freudloser Pedant, dessen Verstocktheit einer Verdrängungsleistung geschuldet ist, die erst im letzten Drittel des Films ans Tageslicht kommt.

Die Krise ist da, Kristines Rollköfferchen rollt den steinigen Anstieg zum Haus hinauf. Eine wie sie verkauft kein Objekt, das sie nicht vorher in Augenschein genommen hat. Kristines Stimmlosigkeit erscheint wie ein erotisches Surplus, wenn sie sich alsbald auf die romantischen Avancen des Dorfprinzen Franck (Arthur Igual) einlässt. Ihre Freundin (Viktoria Trautmannsdorff), ein als Trüffelsucherin hängengebliebener Spät-Hippie-Single, hat ihren französischen Freund gerade an Francks Mutter (Sylvie Granotier) abgegeben, voller Spott über dessen nicht vorhandenen Liebhaberqualitäten. Diese reagiert hasserfüllt auf die Rückkehr Kristines, erst recht auf den ebenfalls anreisenden Herbert. Dazwischen Anna, die patente Tochter (Marie Rosa Tietjen), die angesichts einer verpatzten Prüfung heimlich vor den Eltern angereist war.

Da geht noch was, ist das ironische Leitmotiv dieser Tragikomödie. Nana Neul, 1974 geboren, wirft einen unbestechlichen Blick auf die saturierte Post-68erGeneration, die von der späten Einsicht gepackt wird, die idealisierte sexuelle Befreiung nicht gelebt zu haben, und sich von der eigenen Torschlusspanik überfordert sieht. Die Autorenfilmerin entwirft ein Tableau sich überkreuzender Sommeraffären, in denen alte, nur scheinbar begrabene Beziehungskalamitäten zwischen den Berliner Ferienhausbesitzern und den Einheimischen schmerzhaft wieder aufscheinen. Kristine würde irgendwann gerührt zu ihrem Mann zurückkehren, doch am Ende konzentriert sich „Stiller Sommer“ in einer Serie von Flashbacks auf Herberts Vorgeschichte, auf seinen Erinnerungsfilm im Film und die Frage nach seiner sexuellen Identität. Lehrmeister in Sachen Liebeskultur sind diese verklemmt freizügigen Silver Ager für die Jüngeren nicht. Aber Stoff für die alles in allem freundliche Suche nach der wahren Empfindung bieten sie doch.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Filmkunst 66, Hackesche Höfe Kino, Kino in der Kulturbrauerei, Moviemento

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