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Kultur: Stolze Schöne

Zum 70. Geburtstag der Sopranistin Julia Varady

Für den Stimmspezialisten Jens Malte Fischer ist Julia Varady „die einzige Sängerin der Gegenwart im Sopranfach, bei der ich gewisse Ähnlichkeiten mit der künstlerischen Kontur von Maria Callas entdecke“. Denn wie die berühmte Griechin kann auch die 1941 in eine ungarisch-deutsche Familie in Siebenbürgen geborene Julia Varady ihr Publikum vom ersten Ton an fesseln: Weil sie sich rückhaltlos hinzugeben vermag, szenisch wie sängerisch.

Eine stolze Schöne mit charakteristischen Katzenaugen, die Frauen verkörpern kann, die „nur zum Herrschen oder zum Untergehen geboren“ sind. Wer Varadys Aida erlebt hat, zum Beispiel 1981 an der Deutschen Oper neben Luciano Pavarotti, wer sie als Leonore in Verdis „Forza del destino“ oder auch „Trovatore“ gesehen hat, wer später dabei war, als sie sich das Wagner-Fach eroberte, die Eva, die Senta, 1984 dann – wieder in Berlin – die Sieglinde, bewahrt unauslöschliche Erinnerungen an große Opernabende.

Im Gegensatz zur Callas, die sich vor der Zeit ruinierte, hatte Julia Varady jedoch stets ihre Stimme unter Kontrolle – auch dank einer soliden Gesangstechnik, die sie sich beim Studium in Rumänien erarbeitet hatte. Als sie im April 1997 völlig überraschend ihre Bühnenkarriere beendete, war sie noch im Vollbesitz ihrer vokalen Möglichkeiten. Faszinierend zu hören, welche Jugendfrische sie auf ihrer letzten, im Jahr zuvor erschienenen CD noch der „Tannhäuser“-Elisabeth zu verleihen vermag, mit welch flammender Verve sie die Sieglinde angeht.

Dass die Debütantin am Theater in Cluj (Klausenburg) zunächst fälschlich als Mezzosopran eingestuft wurde, konnte nur eine kluge Künstlerin ohne bleibende Schäden überstehen. Ihre zweite Karriere begann sie 1972 in Deutschland, als Mozart-Interpretin an der Frankfurter Oper. Zwei Spielzeiten später wechselte sie ins Ensemble der Münchner Oper, dem sie ein Vierteljahrhundert treu blieb. Daneben wurde die Deutsche Oper Berlin ihre zweite künstlerische Heimat.

Zu den Glücksfällen in Julia Varadys Leben gehört die Begegnung mit Dietrich Fischer-Dieskau. Nicht nur, dass sie den Bariton 1977 heiratete – sie wurde auch seine Schülerin, lernte bei dem großen Liedinterpreten, durch differenzierte Textausdeutung noch dichter an die Figuren heranzukommen. Mögen Belcanto-Puristen bemängeln, dass die Koloraturen der Varady selten präzise sind, dass sie sich manchen Spitzenton förmlich abringt, im Kampf um Wahrhaftigkeit auch Hässliches hinnimmt – ihre Rollenporträts bewegen, weil sie sich selber innerlich bewegen lässt.

Heute feiert die Sopranistin Julia Varady ihren 70. Geburtstag, zusammen mit Dietrich Fischer-Dieskau, in ihrer Villa im Charlottenburger Westend. Frederik Hanssen

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