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Kultur: Strafzettel aus Ghana

Malte Lehming über Sparzwänge und den digitalen Datentransfer Die deutsche Stadt ist pleite. Müsste sie nicht Sozialhilfe bezahlen, könnte sie welche beantragen.

Malte Lehming über Sparzwänge und den digitalen Datentransfer

Die deutsche Stadt ist pleite. Müsste sie nicht Sozialhilfe bezahlen, könnte sie welche beantragen. So schlecht geht es ihr. Von München über Braunschweig bis Berlin zieht sich eine Spur der kommunalen Armut. Es fehlt Geld. Viel Geld. Die Säckel sind dermaßen leer, dass sie selbst dann nicht wieder prall würden, wenn man die Bonusmeilen aller deutschen Stadtpolitiker zusammenzählte und bei der Lufthansa gegen Bares eintauschte. Der Volksmund reimt in solchen Momenten: Ohne Moos nichts los. In den Finanzverwaltungen dagegen wird nur noch lamentiert. Das Wort vom „Sparzwang“ geht um. Bloß wo ansetzen, den Rotstift?

Wie erfinderisch die Not machen kann, lässt sich in New York studieren. Auch dort muss gespart werden. Es wird, wie es auf Neudeutsch heißt, outgesourct. Ein Beispiel: Wer dabei erwischt wird, dass er zum Beispiel seinen Wagen falsch parkt, bekommt ein vorläufiges Strafmandat. Das hat der Beamte mit der Hand geschrieben. So weit, so normal. Wer aber tippt die handgeschriebene Kopie dieses Tickets ab? Das ist eine Tätigkeit, die Zeit kostet und deswegen teuer ist. Allein im Umweltbereich – Hundekacke! – bringt es New York City pro Jahr auf eine halbe Million Strafmandate. Jetzt wird das Abtippen in Ghana erledigt, in der Hauptstadt Accra. Dort arbeiten 40 Angestellte in drei Schichten 24 Stunden am Tag, um n wie Flatbush oder Hudson zu entziffern. In New York werden die Tickets gescannt und digital nach Accra übermittelt. Von dort kommen sie innerhalb von zwei Tagen mit einer vertraglich zugesicherten Fehlerquote von maximal einem Prozent elektronisch erfasst zurück. Der Lohn liegt bei 70 Dollar im Monat, das ist doppelt so viel, wie der Durschnittsghanaer verdient. Außerdem ist Ghana seit 20 Jahren eine relativ stabile Demokratie, das Land war britische Kolonie.

Auch deutsche Städte könnten sparen. Oft fehlt es ihnen nicht nur an Geld, sondern an Fantasie. Das Südsee-Königreich Samoa war einst deutsche Kolonie – Internetanschlüsse gibt es dort längst.

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