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Kultur: Strauchelnde Möbel

Der Portugiese Pedro Cabrita Reis in der Galerie Markus Richter

Treppen, die ins Nichts führen, Türen, die nicht zu öffnen sind, und Mauern, die einem die Sicht versperren. Mit seinen schlichten und verschlossen wirkenden Werken hat Pedro Cabrita Reis die Tradition von Dadaismus und Arte Povera wie nur wenige Künstler der neunziger Jahre konsequent und gleichsam poetisch in eine markante, zeitgenössische Sprache transformiert. Ein Minimum an Materialaufwand und eine sparsame Formenfindung genügen dem 1956 geborenen Portugiesen, um architektonische und urbane Räume zu erschaffen, deren Erinnerungsgehalt einen Blick weckt, der sich am Traum entzündet.

Die Materialien sind einfach, manchmal sogar schroff: alte Holzbohlen, weiße Leuchtstoffröhren und Kabel. Industriell Vorgefertigtes und gefundene Hinterlassenschaften bilden den Fundus, mit dem Cabrita Reis aus scheinbar Eintönigem eine verblüffende, visuelle Klangfülle schafft. Ein Schrank steht im leicht geneigten Winkel auf drei spitzen Füßen, der vierte schwebt über dem Boden. Was seitlich betrachtet wie ein altes und strauchelndes Möbel wirkt, erinnert aus der Frontalansicht an eine zu klein geratene Behausung, wie man sie aus den Favelas kennt. Rostige Nägel ragen aus morschem Holz, Nur Spinnweben scheinen die nachlässige Statik zusammenzuhalten. Man möchte die Hütte berühren und stützen, doch wie eine unsichtbarere Hand scheint ihr der eigene Schatten Stabilität zu geben. Das leuchtende entagon auf Wand und Decke verleiht dem fragilen Fundstück eine geheimnisvolle Melancholie. Der Titel „A Balance of Light“ (32 000 Euro) subsumiert als Ausstellungstitel zugleich die wohltemperierte Komposition der sieben Objekte und Installationen in der Galerie Markus Richter.

„Wo viel Licht ist, ist starker Schatten.“ Die Goethe-Worte sind zur Floskel geworden, Literatur wie Volksmund wenden gleichermaßen das Auge lieber dem Licht als dem Schatten zu. Pedro Cabrita Reis verleiht dagegen der dunklen Seite der Dinge eine neue Qualität: „Wir haben nur unseren eigenen Schatten, um den Radius unserer Realität zu verstehen – innerhalb dieses Winkels von 90 Grad zwischen uns selbst und dem projizierten Schatten liegt unsere menschliche Erkenntnis“, sagt der Künstler und fügt hinzu: „Gleichgültig was du anschaust, schaut dein Schatten aus dem Gegenstand hervor.“

Diese solipsistische Weltsicht lässt die Arbeiten einerseits hermetisch und in sich gekehrt wirken. Doch gerade in ihrer konzeptuellen Strenge vermögen sie den Betrachter tief im Inneren zu berühren; sprechen dabei persönliche wie auch politische Aspekte an und flechten darüber hinaus fast beiläufig kunsthistorische Zitate von Caspar David Friedrich bis Ilya Kabakov ein. Die Wandinstallation „L.T. (linha da terra)“ erscheint als Reminiszenz an die Minimal Art: Als wären Donald Judds „Boxes“ und Dan Flavins Lichtarbeiten durch einen Fleischwolf gedreht worden. Das rohe Schalholz und die erdig bemalten Neonröhren entfalten eine Poesie, deren raues Material, die offen liegenden Sicherungen und wie zufällig drapierten Kabel, die Realität zu kontemplativer Harmonie konzentriert ohne sie zu verklären (53 500 Euro).

„A Light in the Window“ (19 000 Euro) führt das romantische Fenster zur Welt ad absurdum. In der Form eines klassischen Tafelbildes gearbeitet, prallt der Blick durch den illuminierten, aber notdürftig zusammengeleimten Fensterrahmen direkt auf die nackte Wand. Ebenso bewahrt „Everywhere, Anywhere, Elsewhere“ (19 000 Euro) sein Geheimnis im stets wechselnden Sinnzusammenhang. Die Aluminiumtür bleibt verschlossen. Gefundenes und Vergessenes, Türen und Fenster, die ihre Häuser verloren haben, verdichten sich zu subtilen Zeichen und Analogien anthropomorpher Spuren. Michaela Nolte

Galerie Markus Richter, Schröderstraße 13, bis 19. Oktober; Dienstag bis Sonnabend 12-19 Uhr.

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