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Gleich neben der guten Stube des Brecht-Hauses hat mit dem Tin Tan ein mexikanischer Streetfood-Laden eröffnet.

© promo

Streifzug durch die Chausseestraße: Hier war Preußisch Feuerland

Früher reihten sich in der Chausseestraße rauchige Maschinenfabriken aneinander. Heute sind den großen Öfen viele kleine gewichen. Ein Streifzug durch das Bargewimmel.

Hier rauchten die Schlote für eine Revolution aus Eisen und Stahl, hier ergoss sich das glühende Erz, um in Form von Gleisen und Lokomotiven wiederzuerstehen, hier war Preußisch Feuerland. Entlang einer Wegstrecke mit dem seltsam doppeltgemoppelten Namen Chausseestraße reihten sich vor dem Oranienburger Tor Gießereien und Maschinenfabriken. Borsigs Stammwerk qualmte hier unweit von Scherings kleiner Apotheke. Bis die Stadt weiter wuchs und die großen Öfen vielen kleinen wichen, mit Menschen davor, die, wenn sie nicht restlos erledigt von ihrer Arbeit waren, durchaus Bedürfnisse hatten.

Die erfüllte die Badeanstalt Patschke mit fließend warmem Wasser oder der Apotheker Paul Pöschke, der aus Wurzeln, Rinden, Gewürzen, Zucker und Alkohol ein Heilmittel gewann: „Früher oder später trinkt ein jeder Wurzelpeter.“ Werbung für Pöschkes Kreation kann noch entdecken, wer die Chausseestraße passiert. Eine aufgerissene Ader irgendwo zwischen Mitte und Wedding, Ost und West, deren Schicksal nun unauflöslich mit dem trutzburgartigen neuen Hauptquartier des Bundesnachrichtendienstes verknüpft ist.

Darüber kann man im Café Top Secret sinnieren. Oder im jüngst auferstandenen Ballhaus Berlin mit seinen antiken Tischtelefonen den daraus resultierenden Abhörabwehrbedarf überschlagen. Aber bitte nicht in Straßenkleidung aufs neu verlegte Fischgrätparkett schlurfen. Das bisschen Nostalgie, das in Berlin überdauert hat, will gebührend behandelt sein. Im Hof findet sich neben Grill und Bar eine sehr einladende Leinwand zum öffentlich Fußball sehen. Und falls Argentinien im Stadion versagt, kann man sich in der nahe gelegenen Tango-Schule Nou mit leidenschaftlicheren Schrittfolgen trösten.

Die reizende Bedienung trägt Trikot

Wenn aber Mexiko weiter im Spiel bleibt, dann kann die raue Straße, auf deren Hochöfen Biergärten, Volkskaffeehäuser, Kinopaläste und Einkaufstempel folgten, punkten: Gleich neben der guten Stube des Brecht-Hauses hat mit dem Tin Tan ein mexikanischer Streetfood-Laden eröffnet. Er nennt sich nach einem Sänger und Schauspieler aus Mexiko-Stadt, einem urbanen Helden mit schmalem Bärtchen und dicker Zigarre. Die Tacos des Hauses rollt man sich selbst. Natürlich sind Fernseher aufgebaut, im schmalen Gastraum und im Hof, die reizende Bedienung trägt Trikot. Es gibt eine exzellente Auswahl an traditionell hergestelltem Mezcal. Der rauchige Agavenschnaps tänzelt im Gleichschritt in den Kopf und ins Geld. Nebenan liegt nicht nur Brecht begraben. Von ihm stammt das Gleichnis eines Kaufmanns, der in Mexiko Zinngruben kaufen wollte. Und plötzlich das Gesicht eines Tigers trug.

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