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Kultur: Strenge Eleganz

Vor genau 90 Jahren leitete Arnold Schönberg in Berlin mit seinem Melodram „Pierrot lunaire“ eine musikalische Revolution ein. Zu einer Zeit, da noch der hyperromantische Klangrausch den Ton angab, ließ er den Zyklus von 21 exzentrischen Jugendstilgedichten des Belgiers Albert Giraud mit einer Sprechstimme und acht Instrumenten über die Bühne gehen.

Vor genau 90 Jahren leitete Arnold Schönberg in Berlin mit seinem Melodram „Pierrot lunaire“ eine musikalische Revolution ein. Zu einer Zeit, da noch der hyperromantische Klangrausch den Ton angab, ließ er den Zyklus von 21 exzentrischen Jugendstilgedichten des Belgiers Albert Giraud mit einer Sprechstimme und acht Instrumenten über die Bühne gehen. Die kühn ausgesparten und dabei überaus variablen Klangkonstellationen wirken auch heute noch erstaunlich neu. Vor allem dann, wenn das genialische kompositorische Kaleidoskop so geistreich scharf und transparent aufgeblättert wird wie von Marek Janowski, Marjella Riegelbauer-Stockhausen am Flügel und den Mitgliedern des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin im Rahmen einer „Musikalischen Akademie“ von DeutschlandRadio Berlin. Die atmosphärische Intensität kam etwas zu kurz, die Differenzierung und Farbabstufung aber ließen nichts zu wünschen – wenn man nur an die delikaten Soli der Oboe denkt, die ganz allein musizierende Flöte beim Gedicht vom „kranken Mond“ oder an Bassklarinette, Cello und Klavier bei der Mini-Passacaglia, dem bedrohlichen Bild der „Nacht". Präzis traf nicht zuletzt Anja Silja den surrealen Tonfall der komplizierten Sprechstimme, auch wenn der launig-groteske Text in der dafür total ungeeigneten Konzerthausakustik unterging. Ihre ernste, überaus beherrschte, aber eine Spur zu akademische Leistung war von sehr leiser Parodie getragen. Das letzte der schmerzlich-schönen Schönberg-Stücke „O alter Duft aus Märchenzeit“ kam in ganz fragiler Zartheit herüber. Im ersten Teil brachte Janowski mit dreizehn Solisten des Rundfunksinfonieorchesters Mozarts wundervolle „Gran Partita“ KV 361 für Bläser zur Aufführung. Auch dabei ging es Janowski weniger um poetischen Zauber und Spielwitz als um ein tempobetontes, mitunter rasantes Musizieren. Bei aller strahlend klaren Eleganz trat eine fast Beethovensche Strenge zu Tage. Eckart Schwinger

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