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Kultur: Stücke, doch nie Stückwerk

Der Filmemacher Peter Schamoni wird siebzig Jahre alt

Ein Paukenschlag war es nicht, mit dem er anfing. Paukenschläge sind nicht sein Fall. Dafür ist der älteste der Schamoni-Brüder stets zu nüchtern gewesen. Während der um fast sechs Jahre jüngere Uli schon mal kräftig zulangen konnte mit „Eins“ und der kaum bekleideten Andrea Rau, ist Bruder Peter stets auch der Herr mit Schlips. Den trug er, als er 1962 das berühmte Manifest mit unterzeichnete, mit dem das Kino in Deutschland noch einmal von vorn anfing. Doch während andere sich gütlich taten an ihren Berührungsängsten mit den Kino-Repräsentanten der Vergangenheit, sucht Peter Schamoni sie auf und lässt sie Repräsentanten sein. Wie Willy Birgel in „Schonzeit für Füchse“ (1966) oder Hardy Krüger in „Potato Fritz“ (1975). Oder die alten Damen Horn/Hoppe/Höhn/Röck in der „Letzten Geschichte von Schloss Königswald“ (1987).

Der älteste Sohn des Filmregisseurs Dr. Victor Schamoni, in Berlin geboren, in Münster und München aufgewachsen, lernt sein Handwerk am Theater und bei Kurzfilmen. Ein Dutzend davon hatte er schon erfolgreich zeigen können, ehe er mit Kluge und Konsorten auf die Barrikaden von Oberhausen stieg. Und dann machte er einen Film, der so aussah, als hätte er etwas dagegen. So schlapp und zahnlos sind sie, die Jungen, die Füchse – und sind doch nur Rebellen in der Warteschleife. Wie der Herr mit Schlips.

Er selbst nennt seine Filme „Filmstücke, so wie es Theaterstücke, Prachtstücke, Tortenstücke oder“ (jetzt lockert er den Binder) „Miststücke gibt“. Es sind in der Tat Stücke, die erzählen oder dokumentieren. Und weil er auch beim Dokumentieren ein Spieler bleibt, bekennt er sich zum „Dokutainment“. So jüngst in Leipzig, wo seine erste Retrospektive zu sehen war und die Filme zu beweisen hatten, dass sie zwar ein Werk aus Stücken, aber kein Stückwerk sind. Unerbittlich, man könnte auch sagen: stur hat dieser Filmemacher seine Linie verfolgt, die zu dem in sich geschlossenen, konsequenten Werk führte.

Man könnte auch von den Bildern einer Ausstellung sprechen. Denn Bilder sind es, die Peter Schamoni fasziniert und regelrecht initialisiert haben: Ob die Bildhaftigkeit der Architektur („Brutalität in Stein“ heißt ein Kurzfilm über Nazi-Architektur), die poetischen Bilder der Maler Caspar David Friedrich, Max Ernst oder Friedensreich Hundertwasser, oder die knallbunt bemalten Nanas der Niki de Saint Phalle („Drei Nanas für Hannover“, 1976). Dass Bilder Geschichten erzählen, hat dieser sorgfältige Mensch zuletzt mit seinem geradezu enzyklopädisch majestätischen „Wilhelm II. Majestät brauchen Sonne“ (1999) gezeigt. Er, der Filme für Zuschauer machen will, hat etliche „Stücke“ seines Bruders Ulrich produziert. Auch, was man kaum noch weiss, den 68er Hit „Zur Sache Schätzchen“. Dass er jetzt 70 wird, gehört sich so. Denn er ist immer beides gewesen: alt und jung, mit Schlips und ohne.

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