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Kultur: Sturmwind

Wagner konzertant in der Berliner Philharmonie

Was Richard Wagner intendiert, ist das „wirklich vor unseren Augen sich bewegende Drama“. Also die sichtbare Bühnenaktion. „R.“ überlegt und entschließt sich, wie Cosima in ihren Tagebüchern über die „Ring“-Proben notiert, Pferd und Schwert so oder anders zu arrangieren. „R. macht ihnen alles vor, klettert, agiert, zum höchsten Erstaunen aller.“ Wagners Regieabenteuern folgt der von Cosima sanktionierte Bayreuther Stil. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wird das umstrittene Werk von dem Streit um seine Inszenierungen vereinnahmt.

Einer, der es sich leisten kann, sagt sich von alledem los. Mit grandioser Einseitigkeit erklärt Marek Janowski seinen Rückzug vom Opernbetrieb, weil ihn der „Regiewahnsinn“ des Musiktheaters abstößt. 2010 bis zum Jahr 2013, in dem der 200. Geburtstag des Komponisten ansteht, plant der Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters mit seinen Musikern einen zehnteiligen Wagner-Zyklus in der Berliner Philharmonie: die wichtigsten Werke, zunächst je drei pro Spielzeit, dann den ganzen „Ring des Nibelungen“, im Frühling 2013 „Götterdämmerung“. Extras wie „Premium-Pakete“ im Saal und Deluxe-Residenz im Adlon lassen sich besserverdienende Fans schon gefallen.

„Haupt-Charakterzüge der Darstellung“ hat Wagner auch für den „Fliegenden Holländer“ penibel zur Kenntnis gegeben. Alles dies zu befolgen, würde sich heute als totes Theater lächerlich machen. Die Dramatik der Oper aber hat sich in der Erinnerung eingebrannt mit Szenerien von Harry Kupfer, Klaus Guth oder Peter Konwitschny.

Als „Konzert ohne Pause“ gerät Janowskis „Holländer“ zum Triumph. Das beginnt con brio mit Klarheit und Schärfe der Ouvertüre, so braust „das furchtbare Schiff“ daher, mit dynamischer Genauigkeit, eine brillante Orchesterleistung. Dann ist Fantasie gefragt, denn der bleiche Seemann steht auf dem Podium wie etwa ein Zollinspektor, und Senta, die ihn ersehnt, wie die Statue eines Soprans. Musikalisch verdienen Albert Dohmen mit seiner Konzentration und Ricarda Merbeth Respekt. Wenn sie indes, rechts und links vom Dirigenten postiert, die inneren Monologe ihres Duetts „Wie aus der Ferne“ anstimmen, fällt es schwer, ihre Gefühle aufeinander zu beziehen.

Dass die beiden Kapitäne, der Holländer und der Norweger Daland – eine feine Paraderolle Matti Salminens – , aus himmelweit entfernten musikalischen Welten kommen, wird selten so deutlich wie hier in ihrem kammermusikalischen Duett. Dass der Titelheld einen Hauch c-Moll-Bruckner verrät, dass die Mädchen in der Spinnstube mit ihrer süßen Sprache so fremd aus dem 19. Jahrhundert grüßen, dass die Partie des unglücklich liebenden Jägers Erik, wie kantabel Robert Dean Smith seine Romanzen auch vorträgt, nicht spannend ist – dies alles eröffnet die Offenheit der Aufführung. Mit Silvia Hablowetz (Mary) und Steve Davislim (Steuermann) sind auch die kleinen Partien nobel besetzt.

Wie ein „furchtbarer Sturmwind heult und pfeift“ zum Schluss das Orchester, mit rasanten Streichern und Bläsern von Piccolo zu Tuba, während der von Eberhard Friedrich mit vertrauter Werktreue vorbereitete Rundfunkchor die prächtigsten Matrosenlieder aufbietet. Dies alles mit Präzision und Feuer, weil Janowski am Pult steht.Sybill Mahlke

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