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Kultur: Subjektive Selbstvermessung

Vibrierende Skulpturen von Johanna Smiatek in der Galerie Kunstpunkt

Da landet man vor einer transportablen Bar, mit Gläsern gefüllt, groß wie Schrankkoffer der Luxusklasse. Doch beim Nähertreten beginnt das ganze auf Hochglanz polierte Innenleben unüberhörbar zu zittern. Kognakschwenker klirren, Weingläser rasseln. Das Geräusch nähert sich vernehmbar einer Grenze, wahrscheinlich kommt es gleich zum Sprung.

Es gibt schon Unterschiede zwischen belebender Schwingung, irritierender Vibration und Panik erzeugender Erschütterung. Zwischen einem angenehmen Prickeln im Bauch und jener den Magen umdrehender Erdbebenangst. Gerade bietet sich die wunderbare Gelegenheit für subtile Selbstvermessung dieser feinen kleinen Unterschiede. Man stelle sich einfach vor die bewegten Skulpturen von Johanna Smiatek.

„Nur für Sie gemacht“, steht als Titel über diesem epikritisch-hochsensiblen Wahrnehmungstest. Voller Absicht verpasste die Berliner Künstlerin der Galerie einen eher ungewohnten Boutiquen- Look. Aber jetzt ist das eine überaus passende Rahmung zur Präsentation ihres Fake-Labels „DD“: heller Fußboden, matt lackierte Sockel, gleißendes Licht, reflektierende Spiegel, goldiger Glanz. Charmant liegt einem da ein Kreis aus güldenen Hundeschüsseln auf spiegelndem Oval zu Füßen. Das Edelmampfgeschirr für den verwöhnten Großstadtkläffer wird ergänzt von einer Luxus-Goldknochen-Collection der Marke „DD“ wie doggy doggies. Ein schönes Multiple mit König-Midas-Appeal: Gold lässt sich auch vom Hund nicht fressen. Als unverzichtbarer Begleiter wurde das Tier mit der Handtasche von Madame gleich symbiotisch verschmolzen. Heute führt Frau von Welt ihren Tragehund elegant am Henkel aus. Klein, süß, flauschig – und in den Trendfarben der Saison.

Die beweglichste Farbanordnung unter den vibrierenden Skulpturen spiegelt sich in doppelbödigen Arbeit „Skyline“. Ein Sockel mit wackelnden Silikonstäben, die an Lippenstifte und ebenso an Vibratoren denken lassen. Wer den Blick senkt, sieht sein eigens Konterfei. Wieder ein Spiegel, dieser bodenlose Brunnen der Eitelkeit. Das Ego fällt rein. Keine Rettung. Es sei denn, der Bauch nimmt es mit Humor, vibriert von allein – und lacht. Thea Herold

Kunstpunkt, Galerie für aktuelle Kunst

Schlegelstr. 6; bis 21.6., Mi-Sa 14-19 Uhr

Thea Herold

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