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Kultur: Subversion von der Stange

Constanza Macras und ihre Tanz-Compagnie im Berliner Hebbel am Ufer

Vor einigen Tagen lief im Fernsehen eine Serie über eine Gruppe junger Mädchen an, die alle denselben Traum träumen: Supermodel werden. Heidi Klum, die schon Supermodel ist und außerdem als zweifache Mutter und Geliebte eines leberwurstvernarrten amerikanischen Schmusesängers berühmt wurde, sucht nämlich eine Nachfolgerin, „Germany’s Next Topmodel“. Wer gesehen hat, wie die ruhmeshungrigen Laufsteg-Aspirantinnen zur Bewährungsprobe im fleischfarbenen Badeanzug vor einer Hundertschaft johlender Kohlekumpel aufspazieren, begleitet von ein paar Kameras und dem mitleidlosen Dauerlächeln der Heidi Klum aus Bergisch Gladbach, der zweifelt nicht mehr daran, dass die Modebranche ein Pfuhl des Bösen sein muss.

Das Mode-Stück „Sure, shall we talk about it?“ der argentinischen Choreografin Constanza Macras und ihrer Compagnie Dorky Park feiert jedenfalls zur rechten Zeit seine Berliner Premiere im Hebbel am Ufer. Zumal am Wochenende ja auch die „Bread-and-Butter“-Messe in Berlin über die Bühne ging – die Themen Schick und Schönheitsideale sind omnipräsent.

Von Constanza Macras, die für ein gegenwartsnahes und fröhlich-unverschämtes Tanztheater der multimedialen Abfallverwertung steht, erwartet man da eigentlich eine Catwalk-Zertrümmerung nach Maß. Und Macras sagt selbst, dass „Sure“ eine Reflexion über die Erwartungen sei, die an den weiblichen Körper durch den Kult um Fitness und Wellness herangetragen werden. Gleichzeitig aber ist die Arbeit im vergangenen Jahr als Auftrag für eine Modemesse in Mailand entstanden.

Für Künstler ohne Schlingensief’schen Selbstentblößungs-Furor ist unter solchen Bedingungen Subversion nur im Konfektionsrahmen möglich. Als revolutionärer Akt blieb Macras nur eins: Sie ließ sich den Abend von einem milliardenschweren Turnschuh-Konzern sponsern, der unter Kinderarbeitsverdacht steht. Und dann könnte man auch noch die Erwartungen all derer unterlaufen, die glauben, damit müsse nun nach allen Regeln des globalisierungsgiftigen „No-Logo!“Diskurses gespielt werden. Ein kurzes Jauchzen „I love these shoes!“, ein lauer Gruß in Richtung Naomi Klein, das war’s.

Nein, Macras und ihr diesmal ausschließlich weiblich besetztes Dorky- Park-Ensemble liefern Mode-Ironie als weichgespülte Prêt-à-Porter-Performance. Das beginnt mit drei Bänkelsängerinnen der Kapitalismuskritik, die im Hebbel-Foyer zur Akustikgitarre einen Song über den zweifelhaften Wert aller Dinge schmettern. Und es endet auf der Bühne mit Videobildern von schönheitsterroristischer Lippenstift- und Shampoo-Werbung. Über deren Unglückswirkung herrscht außerhalb der Kosmetikindustrie weitgehend Konsens. In ihren letzten Stücken, „Scratch Neukölln“, „Back to the Present“, auch „Big in Bombay“, war Macras bissiger, weil unambitionierter.

Sicher, den international verschwesterten Dorky-Park-Tänzerinnen glücken immer wieder furiose Miniaturen: etwa der Auftritt einer von Entzugserscheinungen geschüttelten Heroin-Chic-Ballerina zu den Klängen von Velvet Undergrounds „All Tomorrow’s Parties“, was heute wie eine stilechte Hommage an Kate Moss wirkt. Oder das sonnenbebrillte Kokettieren einer Sophia-Loren-Diva mit Pelzstola, die von einer hippiesken Tierschutz-Aktivistin angefeindet wird, ob sie noch nie von Brigitte Bardot gehört habe. Und schließlich das Kollektiv-Turnen mit Melonen-Hanteln vor der Brust und das rhythmische GebärmaschinenStampfen im Takt eines Lieds über ungewollt schwangere Mädchen. Sehr dynamisch, außerdem livemusikbefeuert.

Dem Weiblichkeitsbild der anderen aber hat Constanza Macras nichts entgegenzusetzen. Sie führt auf ihrem Catwalk nur die Lächerlichkeit des Bestehenden vor. Schade, denn da draußen werden gerade Heidi-Klum-Klone gezüchtet.

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