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Kultur: Suchen und singen

KLASSIK

Die Goethevertonung „Gretchen am Spinnrade“ (1814) war schon da, als Franz Schubert sich seinen ersten geistlichen Vokalwerken sowie seinen Sinfonien Nr. 3 und 4 zuwandte. Jeder Musikfreund kennt das Lied als neuartig vollendetes Kunstwerk, während die frühe Sinfonik den Komponisten als Suchenden ausweist. Das Gretchenlied braucht keinen Schatzgräber mehr.

Anders die Werke, die Nikolaus Harnoncourt am Pult der Berliner Philharmoniker zu einem Schubert-Abend der aparten Art zusammensetzt. Als Meister der Langsamkeit zelebriert er mit vibrierenden Händen die Adagio-Einleitungen in D-Dur und c-Moll, um den Hörer auf Entdeckungsreise zu schicken: Wieviel Schubert steckt bereits in dem anmutigen Allegretto der Dritten mit der einfachen Liedthematik, im Trio, dessen Oboensolo Albrecht Mayer singt? Mehr offenbar als in der Vierten, die das Versprechen ihrer langsamen, „tragischen“ Einleitung nicht hält. Hier bleibt dem Dirigenten nur die ordnende Betonung in der klassizistischen Geschäftigkeit. Ähnlich wie bei Mozart ist die frühe Kirchenmusik Schuberts noch verwechselbar. Aber das Programm ist angelegt, den „vollkommenen Monolithen“ (Harnoncourt) im Keim zu finden. Drei Offertorien (Propriumgesänge während der Messfeier), leuchtend vorgetragen von Luba Orgonasova, zeigen die Möglichkeiten: „Totus in corde“, eine Art geistlicher Hirt auf dem Felsen mit Klarinettensolo von Wenzel Fuchs, oder als Vorahnung neuer Innerlichkeit das zweite „Salve Regina“.

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