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Kultur: Süße Erinnerung an den Duft ihrer Haare - F. Springer sucht seine Kindheit in Indonesien

Eines Tages erhält der pensionierte Geschäftsmann Fergus Steyn eine Einladung zu einem Kongreß. Er soll über seine Repatriierung aus Niederländisch-Indien im Jahre 1946 berichten.

Eines Tages erhält der pensionierte Geschäftsmann Fergus Steyn eine Einladung zu einem Kongreß. Er soll über seine Repatriierung aus Niederländisch-Indien im Jahre 1946 berichten. Damals war er 14 Jahre alt und hatte mit seiner Mutter den Weltkrieg zuletzt in japanischen Kriegsgefangenenlagern überlebt, während sein Vater zum Bau an der berüchtigten Birma-Eisenbahn gezwungen wurde. Fergus Steyn sagt spontan zu, denn über diese Reise von Java über Ceylon nach Bangkok hatte er damals Tagebuch geführt. Den Helden seines Romans "Die Farbe des Septembers", Fergus Steyn, läßt F. Springer eintauchen in die abenteuerliche Nachkriegszeit auf Java, wie sie der Autor ähnlich selbst erlebt hat.

Fergus und seine Mutter schließen sich einer Gruppe von Frauen an, die nicht direkt in die Niederlande, sondern erst zu ihren Männern nach Bangkok reisen will. Zwischenstation ihrer Odyssee wird Kandy auf Ceylon, ehemals das Hauptquartier von Lord Mountbatten. Kandy bedeutet für Fergus noch im Blick zurück Frieden: satt zu essen, Spiele, Abenteuer, fremde Geister. Kandy wird der magische Ort der Erinnerung für ihn, der immer tiefer in sein Tagebuch eintaucht, das er über fünfzig Jahre lang nicht angerührt hatte. Springer erzählt grandios, hautnah erlebt man die abenteuerliche Überfahrt auf dem Flugzeugträger mit, die Freude über das Ende des Krieges, die Abenteuer auf Kandy. Dreh- und Angelpunkt ist der "Klub", zu dem sich die Kinder unter der Führung von Pinkie Baker zusammengeschlossen haben, einem forschen Mädchen, zu dem sich der schüchterne Fergus hingezogen fühlt. "Auf immer und ewiglich" hieß der Treueschwur ihrer Clique. Fergus Steyn entdeckt bei der erneuten Lektüre, daß sich sein Tagebuch immer mehr um Pinkie drehte, der er seine erwachende Liebe nie gestanden hat, obgleich Pinkie wohl ähnlich fühlte. Süße Erinnerung an den Duft ihrer Haare in einem Versteck auf der Teeplantage wird überschattet von der Ungewißheit über den Ausgang eines dummen Streiches.

Den weiteren Verlauf der Repatriierung von Ceylon nach Bangkok erzählt Springer rasch. Er wechselt öfter die Perspektive, bis der Roman in der Gegenwart ankommt. Steyn wird seinen Vortrag nicht halten, macht sich aber auf die Suche nach Pinkie, um letzte Gewißheit über die Folgen seines Streiches zu erreichen. Springer baut diese Geschichte um die Kindheitserinnerung spannend auf: Aus einer Kindergeschichte entwickelt sich eine zarte Liebesgeschichte, die nach über fünfzig Jahren ihre rührende Fortsetzung findet. Auf dem weiteren Wege in die Vergangenheit trifft Steyn einen der damaligen Gefährten, einen inzwischen pensionierten, großmäuligen Piloten, mit dessen Bruder er über die Richtigkeit ihrer Erinnerung streitet, bei viel Whisky. Der grauenhafte Abend mit dem Besserwisser führt ihn letztendlich zu Pinkie nach London, wo beide noch einmal in wenigen Stunden den süßen Duft der Kindheit spüren - und letzte Wahrheiten unausgesprochen lassen. Erinnerungen sind kostbar, sie verbinden, sie können einem nicht genommen werden. Das Unausgesprochene hält die Option offen, an die man ein ganzes Leben geglaubt hat. Springer ist ein Meister dieser Stimmungsmalerei. Sensibel übersetzt hat ihn Helga van Beuningen. Er hält die Spannung, ohne kitschig zu werden. Erst nach über fünfzig Jahren, beim Abschied in London, wird Fergus Steyn es wagen, Pinkies Haare zu beschreiben: die Farbe des September.F. Springer: Die Farbe des September. Roman. Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999. 178 Seiten, 34 DM.

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