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Kultur: Süßer Gesang

Wie französisch ist Max Reger, dieser in seinem vergrübelt-gelehrten Tonsatz so besonders deutsch anmutende Komponist? All seinen "Vaterländischen Suiten" zum Trotz eint ihn mit den westlichen Nachbarn die feinsinnige Fin-de-Siècle-Müdigkeit, die in der Kammermusik keinem Aufbruchs-Pathos weicht und vor musikalischen Grenzüberschreitungen - anders als zur gleichen Zeit Schönberg oder Debussy - noch zurückschreckt.

Wie französisch ist Max Reger, dieser in seinem vergrübelt-gelehrten Tonsatz so besonders deutsch anmutende Komponist? All seinen "Vaterländischen Suiten" zum Trotz eint ihn mit den westlichen Nachbarn die feinsinnige Fin-de-Siècle-Müdigkeit, die in der Kammermusik keinem Aufbruchs-Pathos weicht und vor musikalischen Grenzüberschreitungen - anders als zur gleichen Zeit Schönberg oder Debussy - noch zurückschreckt.Die Konfrontation mit dem seinerseits von deutscher Romantik beeinflußten César Franck, die dem Programm des Philharmonia-Quartetts in der Kleinen Philharmonie die interessante Note gab, läßt Reger plötzlich als Vorläufer eines deutschen Impressionismus erscheinen, eine Art Max Liebermann der Musik.

So zerfallen die wehmütigen Abschiedsgesten des Klarinettenquartetts A-Dur (1915) in schillernder Harmonik und abrupten dynamischen Wechseln zu kleinteiligen Mustern.Die Streicher und Philharmoniker-Kollege Wenzel Fuchs geben dem deutlichste, feingliedrige Kontur, klanglich wunderbar ausbalanciert.Ein kleines Schmuckstück ist das Scherzo mit spukhaft vorbeihuschenden Triolenrhythmen und mutwillig akzentuierenden Vorschlägen.Und die elegischen Abschwünge gegen Ende des Finales erfüllt die Klarinette mit sanft leuchtendem Piano, von Jan Diesselhorst mit samtenem Celloton befolgt - Schmerz in Luxusfarben.

Die schroffen Kontraste und heftigen Ausbrüche der Interpretation lassen verstehen, warum Schönberg Reger schätzte - fast stößt das Werk in Regionen des Jüngeren vor.Gemäßigter geht es in Francks Streichquartett D-Dur zu.Primarius Daniel Stabrawa kann sich in weiteren Melodiebögen intensiver mit sinnlicher Süße aussingen als beim zerklüfteten Reger.Doch auch hier die abrupten Wechsel, die Seufzerketten, die irisierende Chromatik.Nicht ohne Grund möchten die Musiker dies im Geiste Marcel Prousts gehört wissen, der dem Gedächtnis des Hörers die eigentliche Strukturierung des "Klanggewogens" zuweist.

Viel einfacher macht es ihm Harrison Birtwhistle mit "Fantasia 3" und "Frieze 2" aus den "9 Mouvements for String Quartet": Tradition und Moderne in expressiven Einzeltönen, gläsernen Flageoletts, kleinen motorischen Floskeln und tremologesättigtem Fugato-Ausklang verbunden.Heftiger Beifall belohnte diesen "ganz gewöhnlichen" Philharmonikerabend, an dessen ungewöhnliches Programm sich leider nicht allzu viel Publikum gewagt hatte.

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