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Der Entwurf von Roger Bundschuh für das Suhrkamp Haus an der Torstraße, Blick auf Volksbühne und Alexanderplatz

© Bundschuh Architekten

Neuer Verlagssitz in Berlin: Suhrkamp baut in Mitte - aber nicht ohne Späti

Schluss mit der Improvisation und der Berliner Ökonomie: Der Suhrkamp Verlag lässt an der Torstraße in Berlin-Mitte ein neues Haus errichten.

Als der Suhrkamp Verlag 2010 von Frankfurt am Main nach Berlin zog, übergangsweise in die Pappelallee in Prenzlauer Berg, hatten er und der Berliner Senat sich das altehrwürdige Nicolai Haus in der Brüderstraße als zukünftigen Verlagsstammsitz auserkoren. Daraus wurde aus vielerlei Gründen nichts. Heute steht das Nicolai Haus als eines der ältesten Bürgerhäuser Berlins unter Denkmalschutz – und der Suhrkamp Verlag hatte lange Jahre nicht nur ganz andere Sorgen als auf Haussuche zu gehen, er kämpfte um seine Existenz.

Trotz der Streitigkeiten mit dem 2015 verstorbenen Mitgesellschafter Hans Barlach war der Verlag jedoch schneller in Berlin angekommen als gedacht: mit dem temporären Edition-Suhrkamp-Laden, mit Buchvorstellungen etwa im Berghain und nicht zuletzt mit seinem Sitz in den oberen drei Etagen des ehemaligen Finanzamtes in der Pappelallee 78. Auf typische Berliner Art und Ökonomie schienen diese von einem Improvisorium zu etwas Dauerhaftem geworden zu sein.

Zumal in einem Bezirk, der zwar durch und durch gentrifiziert ist, aber an der Ecke Schönhauser-, Eberswalder- und Pappelallee, also nur ein paar Schritte weg vom improvisierten Suhrkampfirmensitz, weiterhin enorm urban ist und sich hier vor den von der ganzen Welt frequentierten Kreuzberger Hot Spots wie der Oranienstraße oder dem Schlesischen Tor nicht zu verstecken braucht.

Seit einigen Wochen nun ist bekannt, dass der Verlag ein neues Haus bauen will, und zwar direkt an eine ähnlich belebte Ecke wie die in Prenzlauer Berg: auf eine der letzten Brachflächen der Torstraße, Ecke Rosa-Luxenburgstraße. Das Grundstück ist architektonisch und stadthistorisch aufgeladen, gehörte es doch in zwanziger Jahren zu einer Blockrandbebauung der Gegend, die der Architekt Hans Poelzig entworfen hatte, Unter anderem ist davon heute noch das denkmalsgeschützte Wohnhaus mit dem Babylon Kino erhalten.

Das unternehmerische Risiko liegt nicht beim Suhrkamp Verlag

Von dem „Labor Berlin“, davon, dass es hier gerade passiere, kulturell, gesellschaftlich, politisch, sprach Suhrkamp-Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz, als sie ihre Umzugspläne verkündete. Die Torstraße in Mitte mit ihrer gesamten, wenngleich ebenfalls ziemlich durchgentrifizierten, aber kreativen – oder sich als kreativ und fortschrittlich verstehenden – Umgebung ist da nicht der ungeeignetste Platz, gerade weil Suhrkamp sich gerade einmal zwei U-Bahnhöfe weiter östlich schon gut eingelebt hatte.

In Laufweite befinden sich das Soho-House, die Bar 3, das Hackbarths, das Kaffee Burger, also unterschiedlichste Läden mit unterschiedlichstem Publikum (von Möchtegern über Köln first bis zu Old School Mitte), natürlich Volksbühne und Babylon, dazu Linien- und Auguststraße mit ihren Galerien und die Alte Schönhauser mit ihren Markenlabel-Shops. Zumindest auf der Torstraße weht der einst von Unseld-Berkéwicz beschworene Geist auch aus Osteuropa, trifft sich alter White Trash mit den aus vielerlei Gründen Neuzugezogenen.

Im nächsten Monat ist schon der Baubeginn, nachdem auf dem Grundstück vier Schwarzpappeln (Populus nigra) und acht Winterlinden (Tilia cordata) gefällt worden waren, was wiederum für Ärger bei Anwohnern gesorgt hatte. 2019 will der Suhrkamp Verlag einziehen in den Bau, den der Architekt Roger Bundschuh entworfen hat und die Industriegesellschaft am Bülowplatz (IBAU AG) vollfinanziert. Was heißt: Das unternehmerische Risiko liegt nicht bei dem trotz der aktuellen Erfolge mit Elena Ferrantes Büchern finanziell nicht übermäßig auf Rosen gebetteten Verlag, sondern allein beim Bauträger.

Das Aufbau Haus am Moritzplatz könnte ein Vorbild sein

In dem Haus soll es neben den hinter einer Metall- und Glasfassade sich befindenden Verlagsräumen Mietwohnungen, Büros, Läden und ein Café geben. Auch ein „Späti“ sei projektiert, heißt es anbiedernd schnoddrig neuberlinerisch in einer Pressemitteilung.

Während das sechsgeschossige Verlagsgebäude zur vielbefahrenen Torstraße liegt, mitsamt dem möglicherweise für Lesungen und Veranstaltungen genutzten, im Erdgeschoss angesiedelten Café, wird es zur Linienstraße ein fünfgeschossiges Wohngebäude geben. Dazwischen soll in Richtung Süden und Volksbühne der Blockrand mit einem Platz geöffnet und die Grünanlagen vom Rosa-Luxenburg-Platz komplettiert werden. Desweiteren plant man, die gesamte Grünfläche des Suhrkamp Hauses öffentlich zugänglich zu machen und damit zum freien Flanieren, Debattieren und womöglich gar stillen Denken und Lesen einzuladen: Auf dass sich der Geist des Hauses, der alten und neuen Suhrkamp-Kultur mit dem der Stadt verbinde. Ob das hinhaut?

Ein Vorbild gibt es ja schon, das Aufbau Haus am Moritzplatz. Dieses beherbergt ebenfalls nicht nur den Aufbau Verlag, sondern zudem Geschäfte sowie ein Café, einen Club und ein Theater, die von Aufbau immer wieder für Veranstaltungen genutzt werden, wie etwa am Donnerstag für die Buchpremiere von Tom Kummers Requiem auf seine Frau, „Nina & Tom“. Den Moritzplatz hat das Aufbau Haus aufgewertet, ihn urbaner gemacht. Allerdings war das nicht schwer. Der Platz hatte bis dato etwas stadtwüstenhaftes, unbeschriebenes.

Im Fall des Suhrkamp Hauses ist es eher so, dass der Verlag mehr von der Umgebung profitieren dürfte als diese womöglich von ihm.

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