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Die Witwe und der Patriarch. Suhrkamp-Chefin Ulla Berkewicz vor einem Porträt ihres Mannes Siegfried Unseld. Foto: Frank May/dpa

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Suhrkamp-Drama: Der Fall und der Schirm

Bei Suhrkamp erreicht der Kampf zwischen der Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz und dem Investor Hans Barlach eine neue Stufe des Eskalation. Unseld-Berkéwicz versucht das vom Ruin bedrohte Unternehmen unter einen juristischen Schutzschirm zu retten. Wie wird Barlach reagieren?

Es war verdächtig still geworden in den letzten Wochen. Dass sich die Lage im ruhmreichen Hause Suhrkamp mit seinen verfeindeten Gesellschaftern wieder zuspitzen würde, dürften vergangene Woche nur einige Autoren geahnt haben. Ein lange anberaumtes Autorentreffen mit Suhrkamp-Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz in Berlin wurde kurzerhand abgesagt, ohne Begründung oder gar eine Entschuldigung für womöglich schon geleistete Reisemühen und -kosten.

Die Zeit drängte wohl zu sehr, um den Antrag für das so genannte Schutzschirmverfahren auf den Weg zu bringen. Schließlich steht Ende September schon wieder ein Gerichtstermin an. Das Landgericht Frankfurt am Main soll dann verhandeln über die Anträge der beiden Gesellschafter, der 61 Prozent Anteile haltenden Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung auf der einen Seite und Hans Barlachs Medienholding AG auf der anderen (39 Prozent), die sich gegenseitig aus dem Verlag ausschließen wollen. Zudem geht es in Frankfurt um eine von Barlach angestrebte Auflösung des Verlags, sollte seinem Antrag auf Ausschluss der Familienstiftung nicht stattgegeben werden.

Das Schutzschirmverfahren lässt der eigentlich durch ein Berliner Gerichtsurteil vom Dezember 2012 erstinstanzlich schon abberufenen Geschäftsführung mit Ulla Unseld-Berkéwicz, Jonathan Landgrebe und Thomas Sparr nun drei Monate Zeit, die Geschicke des Verlags womöglich ein letztes Mal zu bestimmen. Und zwar im Sinne von Siegfried Unseld, des 2002 verstorbenen Verlagsübervaters, der Tradition, wie es heißt. Es ist die Gelegenheit für die Witwe, sich gegen den Minderheitsgesellschafter Hans Barlach nach mehreren Prozessniederlagen womöglich endlich einmal erfolgreich zur Wehr zu setzen und einen eigenen Sanierungsplan zu erstellen.

Der Suhrkamp-Wahnsinn geht jedenfalls weiter – und wenn der Streit um den Verlag schon kein Wirtschaftskrimi sein kann, weil Geschäftszahlen ungern genannt werden, so entwickelt er sich mehr und mehr zu einem Rechtskrimi mit immer kompliziereren, für den Laien, aber auch für Juristen oft schwer nachvollziehbaren Volten. Ganz zu schweigen von der Verbissenheit der Kontrahenten, dem Kampf zwischen vermeintlich guter Tradition und Kulturhoheitswahrung (Unseld-Berkéwicz) und dem vermeintlich immer bösen Kapitalismus (Barlach), zwischen Intellekt und Geld, Theorie und Praxis. Tatsächlich hat das Schutzschirmverfahren, das ja eine Art abgeschwächtes Insolvenzverfahren ist (siehe Text unten), gleichermaßen etwas von einem genialen Schachzug wie von einem verzweifelten Befreiungsversuch.

Zustande gekommen ist es vor allem nach einem Urteil des Landesgerichts Frankfurts vom März diesen Jahres. Das Gericht sprach Barlachs Medienholding eine Summe von 2, 2 Millionen Euro zu, und zwar aus dem Bilanzgewinn des Jahres 2010 durch den Verkauf des Verlagsarchivs und der Verlagshausimmobilie in der Frankfurter Lindenstraße. Insgesamt erwirtschaftete der Verlag in dem Jahr 8, 2 Millionen Euro Gewinn, die nach dem Frankfurter Urteil bilanziell berücksichtigt werden müssten, eben auch zugunsten der Familienstiftung.

Ulla Unseld-Berkéwicz, die Geschäftsführerin, hat aber die Familienstiftungsvorsitzende Unseld-Berkéwicz nicht direkt an Gewinnen beteiligt. Vermutlich wurde das Geld unter anderem für den Umzug nach Berlin verwandt. Was auch heißt: Der Verlag steht inzwischen am Rande der Zahlungsunfähigkeit, ist es womöglich gar – und die Geschäftsführung gesteht die wirtschaftlichen Probleme ein. Diese können jetzt bei aller in der Pressemitteilung von Montag beschworenen „uneingeschränkten“ Handlungs- und Zahlungsfähigkeit nur noch mit Hilfe und unter der Aufsicht eines Sachwalters gelöst werden. Gläubiger wollen ja trotzdem besänftigt, Kreditlinien offen gehalten – und eben ein Barlach in die Knie gezwungen werden.

Gerücht um Hubert Burda als Miteigentümer

Die Witwe und der Patriarch. Suhrkamp-Chefin Ulla Berkewicz vor einem Porträt ihres Mannes Siegfried Unseld. Foto: Frank May/dpa
Die Witwe und der Patriarch. Suhrkamp-Chefin Ulla Berkewicz vor einem Porträt ihres Mannes Siegfried Unseld. Foto: Frank May/dpa

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Angeblich soll Barlach schon kurz nach dem Frankfurter März-Urteil von dem Schutzschirmverfahren in Kenntnis gesetzt worden sein. Das allerdings liest sich in einer Pressemitteilung der Medienholding nicht so. Von einem „überraschenden Antrag“ ist darin die Rede; vom Entsetzen über die „Leichtfertigkeit“, mit der die Geschäftsführung einen „im Kern gesunden Verlag aufs Spiel“ setze, und dass „kein Insolvenzgrund“ vorliege. Außerdem habe man „Hilfe bei der Überwindung drohender Liquditätsengpässe“ und einen Verzicht auf die „vorläufige Vollstreckung“ des Frankfurter Urteils angeboten (man meint hier wohl eher einen vorläufigen Verzicht der Vollstreckung).

Überraschend ist aber auch diese vermeintliche überraschte Reaktion Barlachs. Er und seine Medienholding hatten ja immer wieder betont, dass der Verlag schlecht geführt sei, in ökonomischen Schwierigkeiten stecke und eben nicht gesund sei. Was das Schutzschirmverfahren anbetrifft, mögen ihm nun die Hände gebunden sein; auch dürfte in dessen Gefolge, also den nächsten drei Monaten, klar offengelegt werden, wieviel der Verlag nun wirklich wert ist, vermutlich bei weitem nicht so viel, wie Barlach denkt.

Andererseits bleibt er Minderheitsgesellschafter, ist ein erfolgreicher Sanierungsplan nicht zuletzt von seiner Zustimmung abhängig. Auf Entspannung deutet die Pressemitteilung der Medienholding AG nicht hin, wie überhaupt das Verhalten Barlachs in den vergangen Monaten, in denen er etwa den Einsatz von Mediatoren ablehnte. Umso erstaunlicher ist eine Meldung in der aktuellen Ausgabe des „Spiegels“. Darin heißt es, es habe „eine Annäherung zwischen den Eigentümern“ des Verlags gegeben, man suche gemeinsam „nach einem dritten Miteigentümer, der unter Umständen mehr als 50 Prozent an Suhrkamp übernehmen könnte“.

Tatsächlich geistert das Gerücht durch die Verlagsszene, Hubert Burda könnte der dritte Miteigentümer sein: Burda hat engen Kontakt zu den Suhrkamp-Autoren Peter Handke, Peter Hamm und Michael Krüger (die alle in der Jury des von Burda gestifteten Petrarca-Preises sitzen). Aber ob er willens ist, sich zwischen die Unseld-Berkéwicz-Barlach-Front zu begeben? In Richtung Burda-Gruppe weist auch die Anwesenheit von „Focus“-Herausgeber Helmut Markwort bei einem der vielen Suhrkamp-Prozesse. Markwort wiederum werden enge Verbindungen zu dem sich gern zuerst im „Focus“ zu Wort meldenden Barlach nachgesagt.

Dass es einen neuen Investor geben muss, scheint angesichts der Finanzlage ausgemacht, wie im übrigen auch die Ernennung einer neuen Geschäftsführung – nur dass hier zumindest während des Schutzschirmverfahrens die noch amtierende Geschäftsführung ein Wörtchen mitsprechen kann und auch die Mitarbeiter- und Autorenverträge solange bestehen bleiben. Der Verlag, dafür muss man kein Prophet sein, wird schlanker werden müssen. Vom Saison für Saison überbordenden Programm und den vielen Buchreihen her, von der Größe der Belegschaft her. Entscheidend aber ist die Gesellschafterstruktur. Solange sich an dieser nichts ändert, ist für den Suhrkamp-Verlag nichts gewonnen.

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