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Klingelschild an der Berliner Suhrkamp-Villa.

© dpa

Suhrkamp-Drama: Drei Monate für die Rettung

Um die Firmenpleite zu verhindern, hat Suhrkamp ein Schutzschirmverfahren beantragt. Ein entsprechendes Gesetz wurde erst im letzten Jahr geschaffen. Unter den Schutzschirm-Bedingungen können die Gläubiger drei Monate lang ihr Geld nicht einfordern.

Von Carla Neuhaus

Das von der Geschäftsführung des Suhrkamp Verlags am Montag beantragte Schutzschirmverfahren ist eine Sonderform des Insolvenzverfahrens. Diese Möglichkeit ist erst im vergangenen Jahr mit dem „Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ geschaffen worden. Es sollte „einen Mentalitätswechsel für eine andere Insolvenzkultur“ schaffen, wie es Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger damals nannte. Man will damit dem Gang zum Gericht ein Stück weit etwas von seinem Schrecken nehmen.

Ähnlich wie beim Chapter-11-Verfahren in den USA kann der Verlag  für drei Monate unter eine Art Schutzschirm schlüpfen, statt direkt in die Insolvenz zu gehen. Die Gläubiger – also alle, denen der Verlag etwas schuldet – können in dieser Zeit ihr Geld nicht per Zwangsvollstreckung und Gerichtsvollzieher einfordern. Auch Minderheitsgesellschafter Hans Barlach kommt in dieser Zeit nicht an sein Geld. „Das verschafft der Geschäftsführung eine Verschnaufpause“, erklärt der Berliner Rechtsanwalt Aicke Hasenheit. Deshalb hat der Suhrkamp Verlag den Antrag auf das Verfahren auch von sich aus beim Amtsgericht Charlottenburg gestellt.

Das Besondere: Es wird kein Insolvenzverwalter eingesetzt. Stattdessen kann die Geschäftsführung wichtige Entscheidungen weiterhin selber treffen. Allerdings wird ihr ein Sachwalter zur Seite gestellt. Im Fall von Suhrkamp ist das der in Berlin tätige Rechtsanwalt Rolf Rattunde. Er wird in den kommenden  Monaten die Geschäftsführung überwachen und ihr helfen, ein Sanierungskonzept zu erstellen. „Ich habe dabei eine neutrale Rolle und werde mit allen Beteiligten sprechen“, sagt Rattunde. Er werde sich nicht nur die Seite der Geschäftsführung anhören, sondern auch die der Gesellschafter, der Gläubiger, der Mitarbeiter und der Autoren.

Denn nur wenn diese am Ende dem Sanierungsplan zustimmen, kann das eigentliche Insolvenzverfahren abgewendet werden. Ein solcher Plan kann zum Beispiel eine Stundung oder einen Verzicht der Gläubiger beinhalten. Für den Verlag würde das heißen, er müsste weniger Geld zurückzahlen. Für die Gläubiger – die Banken, die Geschäftspartner, aber auch Hans Barlach – hieße das, sie müssten auf einen Teil ihres Geldes verzichten.

Laut Rattunde kommt man in der Regel so zu einer Lösung, mit der alle leben können. Die Geschäftsführung des Verlags bestätigt, sie sei „der Überzeugung, dass innerhalb dieses Verfahrens ein stabiler finanzieller und rechtlicher Rahmen für die Fortführung des Verlags gefunden werden kann“. Sie geht davon aus, das Verfahren innerhalb weniger Monate erfolgreich abschließen zu können.

Eine Möglichkeit ist auch, dass der Verlag sich einen Investor von außen an Bord holt, der Geld mitbringt. „Dadurch würde sich die Gesellschafterstruktur ändern“, erläutert Insolvenzrechtler Hans Haarmeyer. Barlach würde dann deutlich an Einfluss verlieren. Eine Alternative wäre, dass der Minderheitsgesellschafter den Verlag mit einer Abfindung verlässt. Haarmeyer meint, Barlach könnte einem solchen Vorschlag am Ende zustimmen. „Denn er sieht dann mehr Geld, als wenn der Verlag in die Insolvenz geht.“

Wenn die Gläubiger sich einigen, kann der Verlag nach den drei Monaten im Schutzschirmverfahren den normalen Geschäftsbetrieb weiterführen. Das kann so kommen – muss es aber nicht. Anders als der Verlag und als Sachwalter Rattunde ist Rechtsanwalt Hasenheit von der Erfolgsaussicht dieses Verfahrens nicht so überzeugt.

Gelingt in drei Monaten keine Einigung mit den Gläubigern, schließt sich das klassische Insolvenzverfahren an. Für den Verlag ist aber auch in diesem Fall noch nicht alles verloren. Denn ein Insolvenzverfahren bedeutet nicht automatisch, dass eine Firma zerschlagen wird. So konnte zum Beispiel der Berliner Aufbau Verlag, der 2008 Insolvenz anmelden musste, durch den Einstieg des Kaufmanns Matthias Koch gerettet werden. Carla Neuhaus

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