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So sehen Siegerinnen aus. Suhrkamp-Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz.

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Suhrkamp Verlag: Finale im Suhrkamp-Streit

Suhrkamp-Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz setzt sich vor Gericht gegen Hans Barlach durch. Das Traditionshaus kann seinen Sanierungsplan verwirklichen – und 2015 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden.

Eine unendliche Geschichte gibt es nur im Roman oder im Jenseits. Aber der im Jahr 2006 begonnene Streit um den einst Frankfurter und seit 2010 Berliner Suhrkamp Verlag hatte etwas von schier endlosem Gezänk. Für das kulturell interessierte Publikum sind sie ja kaum noch nachzuvollziehen: die Windungen und Wendungen des Zwists zwischen der von der Suhrkamp-Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz angeführten Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung und dem Minderheitsgesellschafter Hans Barlach mitsamt seiner Schweizer Medienholding AG Winterthur.

Nun aber scheint sich ein Ende mit Aussicht anzubahnen. Denn das Berliner Landgericht hat in einem erst am gestrigen Freitag bekanntgemachten Beschluss vom 20. Oktober wohl den Weg frei gemacht für eine Umwandlung des Suhrkamp Verlags in eine Aktiengesellschaft. Diese Änderung, die Ulla Berkéwicz bis spätestens zum 1. März 2015 vollzogen haben möchte, würde die Umsetzung eines von der Unseld-Familienstiftung angestrebten Insolvenzplans zur Konsolidierung des Hauses bedeuten.

Der Verlierer: Mitgesellschafter Hans Barlach.
Der Verlierer: Mitgesellschafter Hans Barlach.

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Gegen diesen Insolvenzplan hatte der Hamburger Medienunternehmer Hans Barlach prozessiert. Barlach ist der erklärte Gegner von Unseld-Berkéwicz und ihrer Geschäftsführung seit dem Tod ihres Mannes Siegfried Unseld vor fast auf den Tag genau zwölf Jahren. Unseld hatte Suhrkamp über mehr als vier Jahrzehnte hinweg zur literarischen Spitzenadresse der Republik gemacht und war der Tycoon der vielzitierten Suhrkamp-Kultur. Eine Kultur, die dem mehr auf Rendite denn auch aufs intellektuelles Renommee erpichten Barlach, der nach Unselds Tod von dessen Schweizer Partnern seine heutigen Anteile erworben hat, bis heute wohl fremd geblieben ist.

Barlach hatte gegen Unseld-Berkéwicz Etappensiege errungen - vergeblich

Mit seinen 39 Prozent Anteilen an Suhrkamp sah sich Barlach im Rahmen der bisher bestehenden Kommanditgesellschaft gegenüber der Familienstiftung und ihrer Anteilsmehrheit jedoch immer noch in einer stärkeren Rechtsposition sieht als im Falle der Umwandlung des Unternehmens in eine AG. Sein Aktienpaket würde ihm gegenüber dem Hauptaktionär keine praktischen Rechte verleihen, und seinen Einfluss auf die Geschäftsführung durch den vom Mehrheitseigner im Aufsichtsrat bestimmten Vorstand weiter gegen Null schrumpfen lassen.

Gegen Barlach, der auch in Frankfurt gegen Suhrkamp vor Gericht gezogen ist, hatte das Berliner Landgericht schon früher in Sachen Insolvenzplan entschieden. Verkürzt gesagt, hält der Unternehmer Barlach die von Suhrkamps Anwälten ersonnene Strategie, sich mit Hilfe des unlängst reformierten Insolvenzrechts aus der Verklammerung mit dem streitbaren Kommanditisten zu lösen, für eine Finte. So wurde die angebliche Überschuldung des traditionsreichen Verlags, der 2009 nach Berlin zog, von Barlachs Seite vehement bestritten. Dagegen betreibt die Suhrkamp-Seite eine Strategie des restrukturierenden Befreiungsschlags, der dem Verlag ohne Änderung seines literarischen Profils (und ohne die bei „Restrukturierungen“ in der Wirtschaft gemeinhin üblichen Entlassung von Mitarbeitern) die Zukunft sichern soll. Beispielsweise durch den Kapitalzufluss neuer Aktionäre.

Zuletzt hatten Barlachs Anwälte im schwer durchschaubaren gesellschaftsrechtlichen Hickhack Erfolg gehabt. Denn im Juli hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden, dass das Berliner Landgericht eine Beschwerde Barlachs gegen den Insolvenzplan zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hatte. Das Berliner Gericht hatte Barlach vorgehalten, er habe es versäumt, vor Aufstellung des Insolvenzplans einen Minderheitenschutzantrag zu stellen. Diese Auffassung hatte Karlsruhe verworfen, vielmehr sei eine mögliche Benachteiligung des Minderheitsgesellschafters nicht ausreichend geprüft worden.

"Wir freuen uns", heißt es aus dem Hause Suhrkamp

Nun aber hat das dreiköpfig besetzte Berliner Landgericht die – seit dem Karlsruher Spruch – rechtlich zulässige Beschwerde nochmals inhaltlich geprüft und ist zu dem Schluss gekommen, dass der Insolvenzplan rechtens sei und das Interesse am zu sichernden Fortbestand des Verlages die Belange der von Barlach repräsentierten Medienholding überwiege. Gleichzeitig muss die Medienholding auch die Kosten des Verfahrens tragen.

Hierüber informiert das Gericht bisher nur in einer zwölfzeiligen Pressemitteilung. An deren Ende heißt es: „Gegen den nun vorliegenden Beschluss des Landgerichts ist ein regulärer Rechtsbehelf nicht gegeben.“ Da kommt die Frage auf, ob es denn auch „irreguläre“ Rechtsbehelfe gibt. Tatsächlich meint die Mitteilung: Der normale Rechtsweg endet hier. Die genaue Begründung ist noch nicht bekannt, und der Text des 19-seitigen Gerichtsbeschlusses wurde nur den beiden Prozessparteien zugesandt. Nach Auskunft einer Berliner Justizsprecherin gegen über dem Tagesspiegel ist es noch ungewiss, ob der Gerichtsbeschluss vollständig veröffentlicht wird. Jedoch steht Barlach noch ein zweiter Weg nach Karlruhe offen, wenn seine Medienholding sich deswegen ans Bundesverfassungsgericht wenden würde. Bei Barlach wird die Begründung der Berliner Richter jetzt erstmal geprüft, während Suhrkamps Pressesprecherin Tanja Postpischil sagt: „Wir freuen uns!“

Suhrkamp war selber überrascht: Das Urteil wurde erst nächste Woche erwartet

Freuen dürften sich auch die 183 Suhrkamp-Autoren, die sich im Herbst 2013 in einem offenen Brief gegen den weiteren Einfluss Barlachs auf Suhrkamp gewandt hatten. Angeblich sah auch das Berliner Landgericht die Gefahr eines „Abwanderns namhafter Autoren“ – jener Schriftsteller, die neben der Backlist verstorbener Größen (Brecht, Hesse) das Betriebskapital des Verlages darstellen.

Im Hause Suhrkamp wurde man übrigens selber überrascht, weil mit einer Gerichtsentscheidung erst nächste Woche gerechnet wurde. „Das ist ein Befreiungsschlag, auf den wir schon so lange gewartet haben“, frohlockt freilich der vom Verlag im Rahmen des Insolvenzverfahrens bestellte Generalbevollmächtigte Frank Kebekus.

Suhrkamp ist neben dem Münchner Hanser Verlag eines der wenigen mittelständischen Häuser, das im Zuge von Verlagskonzentrationen und der Umbrüche auf dem Printmarkt noch seine Eigenständigkeit bewahrt hat. Zur Umwandlung der KG, deren Jahresumsatz auf rund 40 Millionen Euro geschätzt wird, in eine Aktiengesellschaft muss die Berliner Justiz noch die Insolvenz für beendet erklären, dieser Aufhebungsbeschluss gilt allerdings nur noch als Formalie. Nach der jüngsten Entscheidung ist die weitere Entwicklung juristisch kaum mehr zu stoppen, da selbst ein Gang zum Karlsruher Verfassungsgericht keine aufschiebende Wirkung hätte. Barlachs Medienholding, die bei dem angestrebten Verfahren wie auch die Familienstiftung zunächst wohl einen siebenstelligen Verlust des eigenen Vermögens zu verbuchen hätte, bliebe bei einem Erfolg in Karlsruhe nur eine finanzielle Entschädigung.

Für Suhrkamp aber wäre es angesichts der vor Jahrzehnten durch das Zerwürfnis zwischen Siegfried Unseld und seinem Sohn Joachim begonnenen Diadochenkämpfe das gute Ende der Geschichte.

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