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Kultur: Sumpf

ROCK Ein Stuhl in der Bühnenmitte des ColumbiaFritz. Daneben ein kleiner Kofferverstärker.

ROCK

Ein Stuhl in der Bühnenmitte des ColumbiaFritz. Daneben ein kleiner Kofferverstärker. Tony Joe White zeigt, wie man ohne Theater und mit minimalen Mitteln wirklich cool sein kann. Da sitzt der fast 60-Jährige aus Louisiana mit Wuschelkopf, schwarzem T-Shirt, dunkler Brille, greift in die Kiste mit den Harmonicas, klemmt eine Harp ins Silbergestell, das er um den Hals trägt. Und spielt seine zerschrabbelte Stratocaster mit einer faszinierenden Mischung aus Finger- und Flatpicking. Dazu gutturales Grummeln mit tiefer Steinbruchstimme: bluesige Ballade. Ein Drummer kommt dazu, trommelt einfach, präzise, effektiv. Tony Joe lässt die tiefe E-Saite knallen mit dem Daumen der rechten Hand, Töne trillern mit dem linken Zeigefinger. Ein steiniger Rocker. Umschalten von klaren Klängen zu Zerrgitarre, kurzes Wah-Wah-Wiehern. Kreischende Harmonica. Boogie, Shuffle, Louisiana-Sumpfrock: „The river was dark and muddy.“ Rhythmische Figuren und Melodielinien fließen ineinander. Jazzige Akkordfolgen wie angeschabter Samt: „Rainy Night In Georgia“, Tony Joes einstiger Hit für Brook Benton. Ein Fan brüllt einen Song-Wunsch. „What was that?“ Er lacht. Ach, das ist so lange her. Joe stimmt nach, versucht’s trotzdem. Großes Louisiana-Grinsen: „Ah, it’s coming back!“ Weitere Zurufe. Tony Joe lacht und spielt’s. Ein Blues auf einem Akkord. Sprechgesang. „Polk Salad Annie“, ein anderer großer Hit, stampft gewaltig vorwärts wie ein Mississippidampfer. Traumhaft sparsame Gitarre. Ein schwerer Akkord, Tony schiebt die Brille hoch, nächster Akkord, Publikum jubelt, er deutet grinsend mit dem Zeigefinger ins Publikum, Schlussakkord. Und als Zugabe eine dampfende Version von „Steamy Windows“, seinem Hit für Tina Turner. Was für ein außerordentliches Vergnügen, diesen Mann zu erleben.

H.P. Daniels

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