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Kultur: Sumpfblüten

Alisa Margolis in der Galerie Tolksdorf Berlin

Wenn jemand Blumen so zu malen versteht, als ginge es dabei ums eigene Leben, dann ist dahinter eine besondere Begabung zu vermuten. Die aktuelle Ausstellung bei Wilma Tolksdorf bietet solche eruptiven Blumenbilder. Im Atelier der Malerin Alisa Margolis muss es in den vergangenen Monaten eine rechte Raserei gegeben haben, denn all die gezeigten Arbeiten (zwischen 5000 und 22 000 Euro) sind in diesem Jahr entstanden.

Es geht dabei gar nicht um die Menge der Bilder – die Hängung ihrer ersten Berliner Einzelausstellung offeriert eine dezidierte Auswahl von gerade neun Werken. Es ist vielmehr die sichtbare Metamorphose einer stilistischen Erkundung. Ein heftiger Entwicklungssprung. Sehr oft sieht man das nicht.

Während Alisa Margolis beim ersten Format noch eine beinahe lupenreine barockisierende Spiegelung ihrer Blütenmotive über eine Mittelachse inszeniert, die Tulpen als Tulpen erkennen und leuchtende Chrysanthemen fast animalisch aus grünschwarzem Bildgrund herausflammen lässt, ist beim jüngsten Motiv „Kissology“ der geschult akkurate Aufbau wie weggeblasen. Dort leuchten orangefarbene Riesenpixel wie Disco-Lichtorgeln von einer dunklen Leinwand herunter. Im Vordergrund des Bildes fegt eine Komposition gestischer Echos die Bühne, die wie in einem Rutsch, in einem Atemzug beim Punkkonzert gemalt wirken. Eine furiose Asymmetrie, die im Vordergrund zu helleren Tönen findet und sich dem Licht zuneigt.

Es geht ihr immer wieder um Licht. Das mag auch eine Motivation für die junge Malerin gewesen sein, in den Werken alter Meister nach vorbildhaften Lösungen zu suchen. Ob in Amsterdam, bei den flämischen Stilleben, in New York in den historischen Sälen des Metropolitan Museums oder in London, wo sie heute lebt, immer ging es ihr mit um schlichte Frage: Wie lenken die Maler das Licht?

Für sich selbst hat sie eine sehr gegenwärtige Variante gefunden. Alisa Margolis beherrscht die Finessen grandioser Farbmischungen, arbeitet schon heute meisterhaft mit der zeitraubenden Technik der Lasurmalerei. Aber ihre Lichtpunkte setzt sie mit Lack. Immer wieder fügt sie zwischen dem Fedrigen ihrer Vogelmotive und den symmetrischen Elementen, die an Wappen erinnern, reflektierende Farbflächen und -spuren ein. Und das Licht, das sich darin tatsächlich spiegelt, kommt im besten Fall von außen. Damit aber sind ihre Tableaus eben nicht, wie der Titel der Ausstellung selbstironisch meint, der „Schnee von gestern“. Sondern ein immer wieder neu entstehendes Werk vom Tag. Thea Herold

Galerie Wilma Tolksdorf, Zimmerstraße 88-91, bis 31. Oktober, Dienstag bis Samstag von 11-18 Uhr.

Thea Herold

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