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Mönche des Lärms.Sunn O))) zelebrieren den musikalischen Irrsinn.

© CTM

Sunn O))) im Heimathafen Neukölln: Sternenkrieger in der Unterwelt

Die Doom-Metal-Band Sunn O))), benannt nach einer Marke für Gitarrenverstärker, kriecht seit 1998 durch die Unterwelten des Genres. Ihr grandioses Konzert im Heimathafen Neukölln wird zum reinigenden Erlebnis.

Kann es Schöneres geben als endlos ausgedehnte Riffwalzen, wabernde Schleifgeräusche und die Stimme eines Wahnsinnigen, der hallverschleiert über Tod und Teufel meditiert? Wohl kaum. Das weiß jeder, der schon einmal einen Auftritt von Sunn O))) erlebt hat, der tektonische Erdplatten verschiebenden Doom-Metal- und Zeitlupen-Band aus Seattle. Nur wenige sind derart radikal wie das Projekt von Bassist Greg Anderson und Gitarrist Stephen O’Malley, das sich nach einer Marke für Gitarrenverstärker benannt hat. Sie begannen als Tribute-Band der Drone-Doom-Pioniere Earth, nach deren Vorbild sie eine Musik produzieren, die den Ur-Metal-Sound von Black Sabbath auf dessen Essenz eindampft.

Seit 1998 kriecht das Doom-Gespann durch die Unterwelt der Metal-Musik. Ihre Radikalität hat die Formation auch außerhalb der Genregrenzen bekannt gemacht und im letzten Jahr zu einer gefeierten Zusammenarbeit mit dem Sänger Scott Walker geführt, den man schon immer für seine Furchtlosigkeit geschätzt hat.

Wer geht zum Konzert einer Band, die knirscht und bratzt, als könnte man Berge zersägen? Die meisten Zuhörer scheinen von der Tattoo-Convention gekommen zu sein, die gerade in Berlin stattfindet. Für ihren Auftritt im ausverkauften Heimathafen Neukölln haben sie sich neben Tos Nieuwenhuizen am Moog-Synthesizer auch den Verkleidungskünstler und Kunstgrunzer Attila Csihar als Verstärkung mitgebracht, der sonst für die Black-Metal-Combo Mayhem seine Stimmbänder streckt.

Der Grusel steigt

Die Luft erzittert wie von dunklen Schwingen, als die Musiker im blickdichten Kunstnebel in Mönchskutten mit zombieartigen Schaukelbewegungen ihre quälwimmrig runtergestimmten Gitarren anschlagen und gewaltige Soundtürme errichten. Es gibt keine Beschleunigung, nur betäubende Langsamkeit. Nach einer halben Stunde erhebt Attila Csihar sein Haupt über all die Niederungen, mit einer leidenden Flüsterstimme, die sich anhört wie der unauslöschliche Nachhall einer ins Mark gehenden Tortur. Dabei scheint er Wichtiges mitzuteilen zu haben, doch er brabbelt hinter einem Vorhang aus tiefsten Frequenzen unverständliches Zeug. Der Grusel steigt, wenn er zum Ende in einem fantasievollen Sternenkriegerkostüm Schreie ausstößt, die sich anhören, als wäre einer dabei, menschliche Nerven am Spieß zu rösten.

Wie in Trance erträgt das Publikum eineinhalb Stunden lang ein ohrenbetäubendes Brummsausen, das die Augen gestandener Doom-Metal-Hörer zum Glühen bringt. Danach weiß man gar nicht, welches T-Shirt man zuerst kaufen soll: Das mit der schönen Aufschrift „Ever breathe a frequency?“ oder das mit dem Konterfei des Black-Sabbath-Gitarristen Tommy Iommi und dem Spruch „Praise Iommi“. Ein reinigendes Erlebnis.

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