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London? Austin, Texas! Die Stadt in Texas wird jedes Jahr für fünf Tage zur Hauptstadt des Pop. Für Bands aus der ganzen Welt ist es ein Gütesiegel, hier spielen zu dürfen.

© REUTERS

SXSW-Festival: Dabeisein ist alles

Das Festival South by Southwest im texanischen Austin ist das ultimative Großereignis einer globalisierten Popmusik. Wer hier mitspielen darf, hat damit schon eine Art Ritterschlag erhalten. Doch bei über 2000 Acts ganz groß rauszukommen, ist wiederum schwer. Auf Tour mit einer griechischen Folklore-Hip-Hop-Salsa-Balkan-Band.

Das Geschäft mit der Popmusik ist globalisiert. Das merkt man ganz besonders im März, wenn sich im Süden von Texas die ganze Welt trifft, um herauszufinden, wie das Geschäft läuft und vor allem, wohin es künftig laufen könnte. Manchmal aber merkt man sogar schon auf dem Weg nach Austin zur South By Southwest (SXSW), der mittlerweile größten Leistungsschau der Branche, wie globalisiert das Geschäft mit der Popmusik geworden ist. So globalisiert nämlich, dass Schneefall in Frankfurt am Main dafür verantwortlich sein kann, dass eine griechische Band, die die Folklore ihrer Heimat mit nordamerikanischem Hip-Hop, südamerikanischer Salsa und osteuropäischen Balkan Beats kurzschließt, ihren weltweiten Durchbruch nur mit erheblicher Verzögerung einleiten kann.

Die Band heißt Imam Baildi und ihre Odyssee hatte nach einer durchgemachten Nacht auf dem Flughafen Athen begonnen. Sie endete erst am Nachmittag des folgenden Tages nach einer glücklichen Flucht aus einem verschneiten Frankfurt, mehrfach umgebuchten Flügen, einer nächtlichen Taxifahrt durch New York, einer unerwarteten Zwischenlandung in Chicago und einer Mietwagenfahrt von Houston nach Austin. Der Großteil des Gepäcks: verschwunden, darunter einige Instrumente. „Die Anreise war ein Desaster und es ist schön, dass wir endlich angekommen sind“, sagt Schlagzeuger und Manager Lysandros Falireas, aber wäre die ganze Unternehmung gescheitert, wäre das gar nicht so schlimm gewesen: „Schon bevor wir überhaupt in Austin aufgetreten sind, profitieren wir davon, hier eingeladen zu sein.“

Wie das? 12 Tage dauert die SXSW, am Sonntag ist sie zu Ende gegangen. Sie besteht aus dem Film-Festival „Interactive“, das immer mehr an Bedeutung gewinnt, sowie aus einem renommierten Kongress für Neue Medien und dem traditionellen Herzstück zum Abschluss, einem fünftägigen Musik-Festival mit Konzerten, Panels, Messe und Workshops. Offiziell treten über 2000 Acts in Austin auf – neben ungezählten weiteren, die auf eigene Faust kommen und selbst organisierte Shows spielen. Wie groß ist da die Chance, entdeckt zu werden? „Wir erwarten ja nicht, dass uns zufällig ein Plattenfirmenboss sieht und so toll findet, dass er uns vom Fleck weg engagiert“, sagt Falireas und lächelt: „Aber vielleicht passiert das ja doch.“

SXSW, das 1987 zum ersten Mal mit 700 Teilnehmern stattfand, ist mit über 12 000 offiziell Registrierten selbst zur Marke geworden. Bei den Tausenden von Konzerten reicht das Spektrum vom Depeche-Mode-Auftritt, für den die Eintrittskarten ausgelost werden, bis zu Gigs in Kneipen, Hotelbars, Imbissen oder auf Parkplätzen. Manches ist so geheim, dass alle davon reden, aber niemand weiß, wo denn nun heute Abend Iggy & The Stooges auf die Bühne steigen. Von anderen kann zwar jeder wissen, aber die „Beijing Underground“-Nacht scheint nicht einmal die 20 Anwesenden wirklich zu interssieren. Manchmal gibt es auch gar keine Bühne, dann baut eine Band ihre Anlage einfach auf der Straße auf, mitten in den feierwütigen Springbreaker-Massen, die sich durch die Straßen wälzen.

Prince spielt vor handverlesenen Anderthalbtausend, andere müssen draufzahlen

SXSW-Debütanten. Die griechische Band Imam Baildi wurde eingeladen.
SXSW-Debütanten. Die griechische Band Imam Baildi wurde eingeladen.

©  Promo

Das haben Imam Baildi nicht nötig, weil sie ins offizielle Showcase-Programm des Festivals eingeladen wurden. Ihr erster Auftritt findet in einem Hinterzimmer statt, gekommen sind immerhin 80 Leute, darunter ein Großteil der kleinen griechischen Exilgemeinde von Austin. Die sind aus dem Stand in euphorischer Stimmung. Die verwegene Mischung aus griechischer Folklore und HipHop funktioniert erstaunlich gut, obwohl die Klarinette niemals den Weg nach Texas geschafft hat und durch ein Saxofon ersetzt werden musste. Als Falireas hinter seinem Schlagzeug hervorklettert und ins Mikrofon brüllt: „Wir waren 43 Stunden unterwegs, um für euch zu spielen“, tobt die überschaubare Menge.

Begeisterter können auch die Fans von Prince nicht sein – die Legende spielt zum Abschluss des Festivals vor handverlesenen Anderthalbtausend. Ein unvergessliches Erlebnis, wie die wenigen Glücklichen, die eine Karte zugelost bekamen, später verraten; aber nur möglich, weil ein südkoreanischer Elektronik-Riese die Gage des Stars übernimmt. Die Smashing Pumpkins kommen dank eines österreichischen Limonadenherstellers, Justin Timberlake finanziert von einem sozialen Netzwerk.

Wer keine solch potenten Freunde im Rücken hat, also die meisten, die hierher kommen, muss sehen, wo er bleibt. Und vor allem, wie er nach Austin kommt. Denn SXSW lädt die Band zwar ein, zahlt aber keine Gagen und übernimmt keine Kosten. Da muss man kreativ werden, sich wie Imam Baildi selbst Kleinsponsoren organisieren und zusätzlich durch eine Crowdfunding-Aktion auf Kickstarter noch 7000 Euro einsammeln.

Oder man wird unterstützt von den Popfördereinrichtungen des eigenen Landes. So etwas existiert zwar nicht in Griechenland, aber in Island, Großbritannien, Südkorea oder Deutschland. Die Initiative Musik übernimmt hier einige hundert Euro. Zwölf der insgesamt 19 deutschen Acts kommen in den Genuss einer Förderung, die Bandbreite reicht vom flauschigen Pop des Hamburger Duos Boy bis zum bärtigen Seventies-Rock der Berliner Band Kavadar, die gleich sechs Mal in fünf Tagen auftreten. Weil sie nach ihrer Unterschrift bei einem großen Metal-Label so angesagt sind, dass sie neben dem offiziellen Showcase auch noch für Sponsorenpartys gebucht werden.

Auch Sizarr sind hier, jenes blutjunge Trio mit dem modischen Electro-Pop, der geschickt aktuelle Einflüsse von Dubsteb bis Wertmusik-Beats aufsaugt, manche trauen ihnen eine internationale Karriere zu. Doch in Austin, angesichts des zirkusreifen Trubels und der Masse der Konkurrenz, fühlen sich Sizarr nicht mehr wie die große Pop-Hoffnung, sondern wieder wie die Jungs aus Landau in der Pfalz, die sie ja auch sind. Sie haben in einem kleinen, gut gefüllten Club gespielt, einen Auftritt im „German Haus“ absolviert und mit zwei anderen Bands während einer Bootstour auf dem Lady Bird Lake versucht, Konzertveranstalter zu beeindrucken. Vor allem aber haben sie gemerkt, dass ihre „internationalen Ambitionen“, wie es Sizarr-Sänger Fabian Altstötter formuliert, „leicht in der Masse untergehen“ können.

Wenn man Glück hat, beginnt beim SXSW tatsächlich der große Erfolg. Jedes Jahr ergreifen einige Bands die Chance dieser größten Live-Messe der Welt – wie 2012 Django Django, Polica und Grimes oder jetzt das britische Electro-Duo Disclosure. Aber allein die Tatsache, dabei zu sein, sorgt für Wertschätzung. SXSW- Auftritte sind wie ein Qualitätssiegel. Imam Baildi spielen zwar in ihrer Heimatstadt Athen schon vor 3000 Menschen und werden 2014 wieder einmal durch Deutschland touren. Aber seit klar war, dass sie nach Texas fahren, erzählt Manager Falireas, ist für ihn vieles einfacher geworden in Verhandlungen mit Veranstaltern und Bookern: „Nächstes Jahr können wir vielleicht auf eine kleine US-Tour gehen.“ Die dann hoffentlich weniger anstrengend verläuft als die lange Reise nach Austin.

Thomas Winkler

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