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© Thilo Rückeis

Tägliche Serie, Folge 5: Kulturcheck - ein Londoner testet Berlin, heute: Kulturimperialismus

Das Berlin-Experiment: Der Londoner Journalist Mark Espiner ist zwei Wochen beim Tagesspiegel zu Gast und bespricht online jeden Tag Berliner Kulturereignisse. Diesmal trifft er im Haus der Kulturen der Welt viele Enthusiasten und wenige Asiaten.

Ein paar Kommentare zu meinem Stück vom Donnerstag lassen durchklingen, ich sei ein Kulturimperialist. Meine englische Anwesenheit in der Stadt ist offenbar ein letztes Aufbäumen des niedergehenden britischen und US-amerikanischen Einflusses.

Spüre ich hier eine gewisse Unsicherheit oder den Wunsch dieser Berliner, ihre Stadt wieder von der Außenwelt abzuschotten? Ist das ein Zeichen des Widerwillens, die Stadt zu öffnen und sie mit denjenigen zu teilen, die sich für sie interessieren? Oder ist das einfach Feindseligkeit gegenüber Engländern – die einer meiner Leser mit den Amerikanern gleichzusetzen scheint?

Bei meinen Trips durch die Stadt, in verschiedene Konzerthallen, Cafés und, natürlich, Metzgereien, habe ich eine solche Haltung überhaupt nicht erlebt. Aber vielleicht existiert ein solches Gefühl unter der Oberfläche – ein Widerwille, sich zu vermischen. Dabei profitiert jeder Ort ganz sicher von Vielfalt und wird stärker durch unterschiedliche Haltungen und Kulturen.

London - die Stadt der tausend Sprachen

London gewinnt ganz stark durch Multikulturalität. Sie ist die Stadt der tausend Sprachen, wo in der Edgware Road Arabisch gesprochen wird, in Tottenham Musik aus Afrika spielt, und man in Southall sein Bier in Rupien bezahlen kann. Vielleicht aber sind einige von Ihnen hier nach 20 Jahren immer noch damit beschäftigt, mit Ihrer anderen Hälfte richtig warm zu werden. Einige Westberliner zumindest reden ein wenig kritisch, manchmal sogar feindlich über die Landsleute aus dem Osten – und jetzt sind Sie noch nicht ganz dazu bereit, jetzt auch noch für uns alle aus dem Rest der Welt aufzumachen. 

Nachdem mir dann ein Informant von Worldtronics im Haus der Kulturen der Welt erzählt hatte, wo der Pakistaner Faisal Gill gemeinsam mit Berliner DJs auftrat, dachte ich, das wäre genau der passende Ort dafür, herauszufinden, wie so ein Kultur-Clash aufgenommen wird. Die Show war nicht so gut besucht, dafür war das Publikum sehr enthusiastisch, wenn auch kaum asiatisch. In London würde die Emigranten-Gemeinde in Mengen zu so einem Ereignis strömen. In London gehe ich deshalb auch sehr gerne zu algerischen, afrikanischen oder anderen internationalen Konzerten, weil ich dann einen anderen Teil der Stadt kennen lerne – die verschiedenen Menschen, mit denen ich sie teile. Berlin hat dafür ein sehr offenes, aber größtenteils europäisches Publikum.

Heimelig und verraucht

Dankeschön an Martina, die mir den Rum Trader in der Fasanenstraße empfohlen hat. Nach Faisal Gills Musik habe ich dort noch schnell vorbeigeschaut, um der Heilsarmee beim Weihnachtslieder-Singen zuzuhören. Die Musik war heimelig, die Bar war es ebenso – und ziemlich verraucht. Offenbar ist sie einer dieser Plätze, wo man um das Berliner Rauchverbot herumkommt. Aber meine bisher ungewöhnlichste und Berlinischste Aktion war es, dem Rat von Ralf und Jan zu folgen: zwischen zehn und zwölf Uhr abends eine Stunde auf der Warschauer Brücke zu stehen und einfach nur Leute zu beobachten. Das war keine Kultur im Sinne von ins Theater gehen, aber diese jungen Clubber auf ihrem Weg in die Nacht zu sehen, war wie ein kurzer soziologischer Einblick in ein anderes echtes Berlin, denke ich.

Aber Himmel, war das kalt! Ich dachte, die Bockwurst würde mich ein bisschen aufwärmen, aber ich habe sie dann, ehrlich gesagt, nicht aufgegessen. Bin ich der einzige, der findet, dass diese Wurst etwas zu fettig ist?

Aus dem Englischen übersetzt von Ruth Ciesinger.

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