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Kultur: Tänzeln, tapsen, tirilieren

Anti-Folk-Bespaßung: Adam Green im Babylon.

Was wurde Green bejubelt, damals vor zehn Jahren. Songtexte voll absurder Komik beglückten den „New Yorker“, seine Alltagspoesie erschien im Suhrkamp Verlag. Kein Wunder, raunte man, als Urenkel der Kafka-Verlobten Felice Bauer sei der Jüngling mit dem Dackelblick geradezu für Großes prädestiniert.

Green spielte Antifolk, eingängigen Gitarren-Pop mit abgründigen Texten, sang vom Sex mit einer Frau ohne Beine, Nazi- Freunden und Sperma auf Keksen. Mal trat er als Bubi auf, später als Waldschrat, immer aber diente er jenen als Role Model, die sich als Hipster gaben, bevor der Begriff wieder populär wurde.

Im Babylon Mitte haben sich knapp 500 Zuhörer zum ausverkauften Akustikkonzert eingefunden. Greens letztes Album liegt ein Jahr zurück, mit der Multiinstrumentalistin Binki Shapiro hatte er das Scheitern der Liebe besungen. Doch der Auftritt in Berlin speist sich fast nur aus seinem Solowerk. Green trägt Jeans und Weste in Schwarz, dazu ein feuerrotes Rüschenhemd, auf dem Kopf sitzt schief eine Offiziersmütze.

Wegen seiner eigenwilligen Performance geraten Konzerte schnell zu Comedyshows. Green tänzelt und tapst, dreht Pirouetten und strampelt wie ein Käfer auf dem Boden, hüpft mit wackelndem Hintern über die Bühne und singt derweil mit dem sonoren Timbre eines Crooners. Einmal findet er sein Mikrofon nicht mehr, verpasst den Einsatz. Mal wirkt er wie ein betrunkener Animateur auf einem Ausflugsdampfer, mal wie ein Torero in der Stierkampfarena.

Greens Albereien verzücken das Publikum, eine nicht immer stille Übereinkunft verbindet die Fans mit ihm. Nebenbei spielt er fast 30 Songs, von frühen Singles wie „Emily“ und „Jessica“ bis zu Raritäten und Liedern seiner alten Band The Moldy Peaches, deren Mitglied Toby Goodshank ihm bei den meisten Stücken das Gitarrenspiel abnimmt.

Dilettantismus hat Green zur Kunstform erhoben. Gern gibt er sich ungelenk und liefert dabei Songs mit Hit-Potenzial. Nach anderthalb Stunden und frenetischem Applaus stürzt er sich in die Menge vor dem Merchandising-Stand, lässt sich umarmen und fotografieren, schreibt Grüße auf Baumwollbeutel. Die Hipster der ersten Generation feiern ihren Stammvater. Kaspar Heinrich

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