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Eine Pariserin in Hollywood. Leslie Caron, hier wieder in Paris, im Jahr 2010. Foto: AFP

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Kultur: Tanz dein Leben

Der Schauspielerin Leslie Caron zum 80.

Sie ist noch nicht 19 und springt mitten hinein in die Goldene Ära der Filmgeschichte. Ein Mann will seinen Freunden die Vorzüge seiner Verlobten erklären, die Kamera fährt auf einen Spiegel zu, in dem die junge Dame als Imagination der Männer erscheint. In sechs Vignetten führt sie Moden und Tänze vor, Barock, Biedermeier, viktorianisch, jakobinisch, Louis XVI. und die 20er Jahre. Schön oder lustig, sexy oder altmodisch, der Bücherwurm, das Charleston-Girl: Mit diesem großen Solo erscheint Leslie Caron erstmals auf der Leinwand, im MGM-Musical „Ein Amerikaner in Paris“ von 1951 – eine Französin in Hollywood.

Begonnen hat alles, wie es sich gehört, in Paris. Der Vater Apotheker, die Mutter war Tänzerin in Amerika, Tanzunterricht mit 11, Konservatorium mit 14 und mit 16 die Balletttruppe um Roland Petit. Bald tanzt sie vor König Faruk in Ägypten, vor den Royals in England – und vor Gene Kelly in Paris. Der sollte für seinen Film eigentlich Odile Versois engagieren, entscheidet sich aber für Leslie Caron.

Sprung in die neue Welt: Der Flug dauert 36 Stunden. Vor dem Traumland des Musicals steht das harte Training mit Tanz- und Sprachunterricht, mit strengen Vorschriften für Kleidung, Make-up und PR-Arbeit. Nach monatelangen Vorbereitungen ist sie für die Rolle der entzückenden französischen Göre hergerichtet, aber Caron schockiert die Studiobosse. In der Nacht vor dem ersten Drehtag hat sie sich die Haare abgeschnitten, das ist zu viel an Aufmüpfigkeit aus dem alten Europa: Drei Wochen wird sie verbannt, damit die Haare wieder wachsen können.

Am Ende steht ein großes Team und eine glückliche Debütantin, mit Kellys Choreografie, der Farbdramaturgie Vincente Minnellis und der Musik von George Gershwin. Fred Astaire und Ginger Rogers, dem Tanzduett schlechthin, kommt der Pas de deux von Kelly/Caron am nächsten. So wird Leslie Caron als „typische Pariserin mit kindlicher Unschuld und federleichter Grazilität“ gefeiert; sie prägt das letzte Kapitel des klassischen Hollywood-Musicals. In „Lili“ lässt sie die Puppen tanzen; in „Daddy Langbein“ zeigt sich der 64-jährige Fred Astaire an ihrer Seite in Höchstform; „Gigi“ wird dank ihr zum Erfolg. Abgesang eines Genres.

Von den Filmen danach – „Arzt am Scheideweg“, „Das indiskrete Zimmer“, „Valentino“, „Chocolat“ oder „Eine Affäre in Paris“ – bleibt einem nur der bewegende Auftritt in Truffauts „Der Mann, der die Frauen liebte“ unvergesslich. Sie setzte große Hoffnungen in Jean Renoir, doch ihre gemeinsamen Pläne fanden keinen Produzenten; sie kämpfte um die Rolle neben Warren Beatty in „Bonnie und Clyde“, wurde aber für zu alt erklärt; sie begann mit Jacques Rivette den Dreh zu „Die Geschichte von Marie und Julien“ – der nach zwei Tagen abgebrochen wurde.

Die große dramatische Rolle blieb ihr verwehrt, darunter hat sie gelitten. Ihre Autobiografie trägt den Titel „Thank Heaven ...“: das richtige Motto für all die Waisenmädchen, die sie spielte. Und für Madame Caron, die an diesem Freitag ihren 80. Geburtstag feiert. Helmut Merker

Helmut Merker

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