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Kultur: Tanz den Honecker!

„Dialoge 04“: Sasha Waltz im Berliner Volkspalast

Von Sandra Luzina

Nicht vor dem Sommer 2005! Frühestens 2006! In der Warteschlange vor dem Volkspalast geht es zu wie im Wettbüro: Daten für den Abriss des Palastes der Republik werden gehandelt. Die Zwischennutzer spielen auf mehr Zeit für neue Spiele. Sasha Waltz & Guests lassen nun in „Dialoge 04“ erst mal Gras über die Ruine der Geschichte wachsen. Ein Rasen, sehr grün und quadratisch, bedeckt nun das Mittelfoyer – Kunst-Oase mitten in der Bunkeratmosphäre. Zugleich ein ironischer Kommentar zu den politischen Planspielen: Denn so könnte sie aussehen, die so genannte Striederwiese. Eine Grünfläche statt Palast der Republik: So hatte es sich der Ex-Stadtentwicklungssenators gewünscht.

Auf der Kunst-Wiese bleibt alles zwischen Idylle und vager Gefährdung in der Schwebe. Das Zeitkratzer Ensemble türmt in „Xenakis (a)live!“ eine massiv-durchscheinende Klangwand auf; ein akustisches Pendant zu dem Monster-Rohbau. Druck wird ausgeübt auf die Körper – die ideologischen Altlasten aber werden von Sasha Waltz umkurvt. Motive aus ihrem Schaubühnen-Parcours hat Waltz für den Palast der Republik neu choreografiert. Die Tänzer laufen und jagen über den Rasen, bilden eine Menschenkette, werfen sich kopfüber in träumerische Duette oder verfallen in rätselhafte Gruppenbewegungen. Immer wieder kippt einer zu Boden wie eine Spielfigur – irgendwo zwischen Extremsport und Ausdrucksextrem.

In Kleingruppen werden die Zuschauer alsdann durch den ehemaligen Volkskammersaal und den Großen Saal geführt – die choreografische Raumerkundung ist der aufregendste Teil des Abends. Faszinierende Sichtachsen eröffnen sich, und der Waltz-Tanz lässt sich neu wahrnehmen. Aus der Ferne oder von oben kann man die Tänzer bei ihren seltsamen Ritualen und bewegten Meditationen beobachten. „Dialoge 04“ funktioniert am besten dort, wo sich tatsächlich eine Spannung von nackter Architektur und Körper erfahren lässt. In der Raumtiefe drohen die Tänzer sich zu verlieren. In der reinen Leere wirkt jede Geste vergrößert, lädt sich der Tanz energetisch und symbolisch auf. Viele Szenen wirken aber beliebig. Zudem verführt der morbide Charme des abrissgeweihten Gebäudes Sasha Waltz zu vagen Untergangsfantasien.

Beim Versuch, den Begriff Volk mit Inhalt zu füllen, landet das Projekt am Ende in der Küche. Brad Hwang Sung-Uk deckt Tafeln mit Suppenschälchen. Der Künstler selbst teilt aus: Linsensuppe mit Würstchen. Ein Abend zwischen Volksküche und Kunstreservat. Doch richtig satt wird man hier nicht.

Noch einmal heute, 20 Uhr

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