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Tanz im August: Ein neues Modell muss her

Viel Streit um die Zukunft von "Tanz im August". Deutschlands größtes Tanzfestival steht vor einem Neustart.

Von Sandra Luzina

Das Festival ist größer als seine Kuratoren, sagte André Theriault bei der Eröffnung von „Tanz im August“. Natürlich sind es die Arbeiten der Künstler, über die man sich freuen oder auch mal ärgern kann – doch es überwiegt im Moment das kulturpolitische Gezerre hinter den Kulissen. Das Festival steht vor einem Neustart – der Wechsel in der Intendanz des Co-Veranstalters Hebbel am Ufer (HAU) hat zur Folge, dass drei der fünf Kuratoren ihren Hut nehmen. Zudem braucht das Internationale Tanzfest Berlin eine neue Ausrichtung. Seit Jahren steht die Auswahl in der Kritik: zu beliebig, ästhetisch dürftig, zu kleinformatig. Das gipfelt in dem Vorwurf, das größte deutsche Tanzfestival sei herabgewirtschaftet worden – und geradezu provinziell.

Ulrike Becker und André Theriault von der Tanz-Werkstatt haben pünktlich zum Festivalauftakt ein Positionspapier erarbeitet. Sie wollten die Diskussion um die Zukunft von „Tanz im August“ in Gang bringen, sagt Ulrike Becker. Beide legen eine durchaus treffende Analyse der strukturellen und finanziellen Schwäche des Festivals vor. Da es über keinen festen Haushaltstitel verfügt, können die Kuratoren nur kurzfristig planen. Und sie können sich nicht an Koproduktionen beteiligen, die außerhalb des laufenden Finanzjahres stattfinden. So entgeht dem Berliner Publikum manche aufregende Produktion. Ein Beispiel: Der Choreograf Boris Charmatz hatte angefragt, ob der „Tanz im August“ seine neue Arbeit „Enfant“ koproduziert. „Doch wir konnten keine Zusage machen“, bedauert Ulrike Becker. Nun wird die gefeierte Produktion bei „Foreign Affairs“, dem neuen Festival der Berliner Festwochen gezeigt.

Mit dem Papier wollen die Noch-Kuratoren jedoch vor allem verhindern, dass das Festival künftig komplett in die Trägerschaft des HAU übergeht. Sie fordern, dass der „Tanz im August“ ab 2013 zur Gänze an die Kulturprojekte Berlin GmbH angedockt wird.

Nun hat sich auch Annemie Vanackere, die designierte künstlerische Leiterin, zu Wort gemeldet: „Ich denke, wir sind uns alle einig, dass das alte Modell nicht mehr taugt“, sagte sie in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel. Von Beckers und Theriaults Papier habe sie allerdings erst bei der Eröffnung erfahren. Vanackere setzt sich dafür ein, dass der „Tanz im August“ unter dem Dach des HAU bleibt. Die Angst, dass das Festival so seine Unabhängigkeit verliert, dass es nur noch eine ästhetische Position vertritt, kann sie nicht nachvollziehen. Sie will auch den dezentralen Charakter beibehalten und Spielorte in der ganzen Stadt einbeziehen. Das Festival müsse zeigen, was „state of the art“ ist, betont sie – das klingt nach einer Kritik an der bisherigen Programmplanung. Das von Vanackere favorisierte Modell sieht vor, einen externen Kurator mit der Programmplanung zu beauftragen, für den eine Planstelle am HAU eingerichtet würde. Schon vor ihrem Start sieht sich die Belgierin Vorwürfen ausgesetzt, sie strebe eine Monopolstellung in Berlin an: „Ich werde wohl zur Projektionsfläche.“

Das Für und Wider der Modelle muss dringend diskutiert werden – doch inzwischen scheinen die Fronten verhärtet. Am Rande des Festivals wird erbittert gestritten – und zahlreiche Gerüchte machen die Runde. Nun ist die Politik gefordert. Das Festival braucht endlich eine seinem Status gemäße Finanzierung. Eine Entscheidung über die Zukunft von „Tanz im August“ sollte sehr rasch getroffen werden – sonst ist der gute Ruf des Festivals dahin.

In Kooperation mit dem Tagesspiegel begleiten junge Kulturjournalisten das Festival Tanz im August – hier geht es zum Blog: www.tanzimaugust-blog.de

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