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Kultur: "Tanz im August": Frei oder gar nicht

Ein vorübergehendes Hoch verheißt das Festival "Tanz im August", das gestern eröffnet wurde. Bis zum 27.

Von Sandra Luzina

Ein vorübergehendes Hoch verheißt das Festival "Tanz im August", das gestern eröffnet wurde. Bis zum 27. August gibt das Internationale Tanzfest Berlin einen Überblick über internationale Entwicklungen im zeitgenössischen Tanz - der sich längst aus seiner ästhetischen Nische herausbewegt hat.

Ab Herbst wird dann wieder das Fürchten gelehrt. Denn was die drei Opernhäuser für die nächsten Monate im Angebot haben, ist zum Davonrennen. Finster sieht es an der Komischen Oper aus. Für Dezember war mit dem "Nussknacker" endlich die erste abendfüllende Neuproduktion von Richard Wherlock angekündigt. Der englische Chefchoreograph indes will - so wurde noch vor Ende seiner ersten Spielzeit bekannt - Berlin vorzeitig Adieu sagen und nach Basel wechseln. Seinen Unmut über die unzureichenden Arbeitsbedingungen hat er dabei nicht verhehlt, dennoch schien er wild entschlossen, den "Nussknacker" auf die Bühne zu bringen. Nachdem Intendant Albert Kost ihm allerdings nur sieben Aufführungstermine in Aussicht stellte, war für Wherlock die Grenze des Zumutbaren erreicht: Er sagte die Produktion ab. Als Notlösung wurde nun ein "Schwanensee" von Birgit Scherzer hervorgekramt - wahrlich keine überzeugende Alternative.

An der Deutschen Oper steht eine "Coppelia" von Ronald Hynd im Dezember auf dem Programm. Unterhaltungsware, offensichtlich ganz nach dem Geschmack von Sylvaine Bayard. In Krisenzeiten hat sich die ehrgeizige Ballettmeisterin zur Ballettdirektorin emporgearbeitet. An der Staatsoper wiederum wird Patrice Bart, Ballettmeister aus Paris und als Choreograph bestenfalls ein wackerer Handwerker, ebenfalls ein romantisches Ballett aufhübschen: Ebenfalls für Dezember ist hier "Giselle" angekündigt.

Die Situation wird unerträglich: Das Berliner Ballett scheint zusehends dem Biedersinn von (kommissarischen) Ballettdirektoren ausgeliefert. Nach Wherlocks Goodbye fehlt allen drei Häusern ein künstlerischer Kopf. So tänzelt das Berliner Ballett seiner Abwicklung entgegen. Vor dieser Entwicklung kann niemand die Augen verschließen. Und so gilt als sicher, dass das Parlament im Herbst endlich den Beschluss fassen wird, die Ballettensembles aus der Oberhoheit der Opern herauszulösen. Die weiteren Schritte zur Neuordnung sind freilich noch umstritten. Das Positionspapier, das Gerhard Brunner, der Projektmanager des BerlinBalletts vor der Sommerpause vorgelegt hat, wurde kontrovers aufgenommen.

Dies zeigte auch die Diskussion im Rat der Künste. Nele Hertling, Intendantin des Hebbel-Theaters, vertritt eine vehemente Gegenposition. Wenn die drei Ensembles, die unter dem Dach des BerlinBalletts fusioniert werden sollen, doch wieder den Opernhäusern zugeordnet und also dem Profil der Häuser angepasst würden, sei nichts gewonnen. Überdies sei fraglich, ob Berlin wirklich drei Compagnien brauche. Sinnvoller wäre es, neben einer großen klassischen Compagnie eine kleine moderne Truppe aufzubauen - die ein profilierter Choreograph nach seinen Vorstellungen formen dürfe. Nele Hertling wiederholte ihre Forderung: ohne die Etablierung eines Tanzhauses sei dem Berliner Ballett nicht auf die Sprünge zu helfen. Dessen Etat müsse aber auch Mittel bereithalten, um namhafte Künstler für eine Produktion nach Berlin einzuladen.

Immer wieder erreichten sie Angebote von umworbenen Choreographen - die bewegen sich aber längst im internationalen Kontext und benötigen genau auf sie zugeschnittene Produktionsbedingungen. Hertlings Warnung vor der Bürokratisierung des Tanzes ist berechtigt, gerade im Tanz sind flexiblere Strukturen vonnöten. Das BerlinBallett als Koloss, der sich über das Festival "Tanz im August" hinaus sämtliche Aktivitäten einverleiben möchte - das wäre eine bedenkliche Entwicklung.

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