zum Hauptinhalt

Kultur: "Tanz im August": Wasa was?

Er ist bestens bewacht, der Körper auf der Bühne des zeitgenössischen Tanzes. Es schützt ihn ein fester Kokon aus Diskursen.

Er ist bestens bewacht, der Körper auf der Bühne des zeitgenössischen Tanzes. Es schützt ihn ein fester Kokon aus Diskursen. Ein Dickicht von Zitaten stellt das Unmittelbare der Bewegung zu, Fragmentiermaschinen überführen das Bild vom Körper in den Zustand der freien Dissoziation. Von wegen Freizügigkeit! Auf dem Tanzboden wird peinlich genau nachgestellt, was sich die Apostel der Performance-Kunst und die Ideologen der Live-Art-Bewegung so zurechtgedacht haben. Und Tänzerköpfe schlagen sich an unsichtbaren Mauern die Stirn blutig.

Aus diesem oft unerquicklichen Szenario hat der Choreograf und Performer Benoît Lachambre für den Abend "Double Bill" beim "Tanz im August" eine fast schon humorvoll zu nennende Ausflucht gefunden. Im Podewil lässt er die Tänzerin Saskia Hölbling eine krude Theorie entfalten, die Punkte und Linien zu einem "Konzentrat wichtiger Informationen" verknüpfen will - und dabei immer wieder beim "Nullpunkt der Definition" landet. Aus dem sprachlichen Wirrrwarr, das bald professoral, bald pastoral erklingt, ragen Arme und Beine heraus, die die Richtung selbst dann überzeugend markieren, wenn der Sinn der Formel im Dunkeln bleibt. Die Tänzerin schwärmt für ihr System: "Es ist höchst flexibel und transformierbar - aber nur scheinbar." Eben. Genau das gilt für Lachambres Konzept. Nur Saskia Hölblings Charme kann diesen aufgeblasenen Gag über eine halbe Stunde retten.

Die zweite Uraufführung im Auftrag der Tanz-Werkstatt entdeckt die surreale Magie von Knäckebrot. Die kreisrunde Original-Wasa-Gebäckscheibe mit Loch in der Mitte verwandelt - geschickt vors Auge gehalten - Menschen in archaische Figurinen, lauernde Lemuren. Doch leider nehmen sich die beiden kahlköpfigen Tänzerinnen Anna Jankowska und Heini Nukari, dem Titel ihrer Arbeit getreu, "No Time for Wasa". Krümel beiseite, basteln sie lieber weiter an ihrer zwischen Fetisch und Anarcho-Freakshow angesiedelten Ästhetik des Andersseins.

Dazu werden ein nierostendes Stahlbett beturnt und absurd kurzgeschlossene Bewegungsabläufe mit stoisch-blödem Geschichtsausdruck unterlegt. Das ist gut für zwei, drei Lacher. Insgesamt ein Abend, der bescheiden stimmt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false