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Tanz: "Mut zum Risiko bleibt häufig auf der Strecke"

Der Choreograf Stephan Thoss, Ballettdirektor an der Staatsoper in Hannover, scheidet zum Sommer aus seinem Amt aus. Er spricht über Tanz, persönliche Wünsche und Gefahren in der deutschen Szene.

Hannover/Hamburg - Nach mehreren festen Engagements an großen staatlichen Häusern und Gastchoreografien für renommierte Bühnen will der 41-Jährige aus Leipzig, der als Tänzer begann, zumindest für ein Jahr wieder frei arbeiten. Thoss, der mehr als 50 Werke geschaffen hat, ist ein moderner Choreograf. Bewegung und Musik finden in seinen Stücken zusammen, kontrastieren oder harmonieren miteinander - oft mit Humor und Situationswitz.

Was ist derzeit die größte Gefahr für die deutsche Tanzszene?

Die Angst vorm Risiko. Weniger auf Seiten der Tanzschaffenden als der verantwortlichen Theaterleiter und Kulturpolitiker. Vom Tanz scheint wieder eine stärkere Ausrichtung auf das Unterhaltsame, Dekorative gefordert zu sein. Das ist aber nicht ein Problem des Tanzes allein. Wegen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird der Druck auf die Theater stärker, finanziell erfolgreiche Stücke zu produzieren. Leider bleibt dabei der künstlerische Mut zum Risiko häufig auf der Strecke.

Was wünschen Sie sich?

Dass diejenigen, die über die Situation der Tanzensembles entscheiden, sich mehr mit der Materie auseinander setzen. Die Zukunft des Tanzes liegt schutzlos in den Händen derer, die nicht wissen, was Tanz war, was er ist, was er kann und was er braucht. Dabei wird öffentlich wieder über Tanz gesprochen. Es liegt an den Tänzern, Choreografen und Ballettdirektoren, sich aktiv in diesen Diskussionen zu positionieren. Langfristig müssen wir Tanz als Kunstform präsenter machen und die Heranführung von Jugendlichen an das Phänomen des Tanzens stärker fördern. Es ist sicher ein Versäumnis von uns Tanzschaffenden, uns untereinander und mit den Zuschauern nicht stärker vernetzt zu haben.

Warum ist Tanz wichtig?

Tanz ist eine der elementaren Ausdrucksformen des Menschen. Sterben wird diese Kunst nie. Es ist aber an der Zeit, die wunderbaren Ausdrucksmöglichkeiten des Tanzes wieder mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Wir sollten unsere Zuschauer dazu motivieren, von den Politikern einzufordern, dass ihren Kindern in den Schulen auch Wissen über Tanz vermittelt wird. Der Erfolg von Filmen wie "Billy Elliot" oder das "Rhythm is it"- Projekt zeigen, welch ein Potenzial da vorhanden ist. Tanz ist eine zweite Muttersprache. Jeder Mensch lernt von Anfang an, sich auch über seine Körpersprache auszudrücken, und ebenso hat jeder Mensch die Fähigkeit, sie zu verstehen. Ich wage zu behaupten, dass es keinen Menschen gibt, der nicht gelegentlich tanzt. Tanz bereichert den Menschen in seiner Ausdrucks- und Verständnisfähigkeit. Und das gilt für die aktive wie passive Erfahrung von Tanz. (Das Gespräch führte die dpa.)

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