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Halbes Herz. Vladimir Malakhov in der Deutschen Oper. Foto: dapd

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Tanztheater: Doll treibt es der Troll

Größter Draufgänger der Weltliteratur: Das Staatsballett Berlin und Vladimir Malakhov bringen Heinz Spoerlis Ballett „Peer Gynt“ in der Deutschen Oper zur Aufführung - leider etwas halbherzig, brav und eindimensional

Von Sandra Luzina

Sieht so ein Hallodri aus? Peer Gynt ist einer der größten Draufgänger der Weltliteratur. Träumer, Abenteurer, ewiger Ich-Sucher. Einer, der in die Welt zieht, aber letztlich nur vor sich selbst davonläuft. Henrik Ibsen hat sein dramatisches Gedicht „Peer Gynt“, das sich als Aufforderung zur Selbsterkenntnis lesen lässt, mit boshaftem Spott angereichert. Und mit vielen mythischen Figuren bevölkert.

Vladimir Malakhov wird in der Eröffnungsszene von „Peer Gynt“ von sechs blonden Mädels geherzt, in seinem schwarzen Anzug sieht er wie ein artiger Konfirmand aus. Die Ermahnungen von Mutter Ase quittiert er mit einem Lausbubenlächeln. So einer büxt vielleicht aus ins Reich der Strolche, nicht der Trolle.

Der Choreograf Heinz Spoerli hat sein Ballett „Peer Gynt“, das 2007 in Zürich seine umjubelte Premiere feierte, mit dem Staatsballett Berlin neu einstudiert. Seine Handschrift ist das Neo-Klassische, doch der Schweizer Kosmopolit ist in vielen Idiomen zu Hause. In „Peer Gynt“ blättert er einen farbigen Bilderbogen auf. Turbulentes und Besinnliches gibt es im Wechsel. Noch im ersten Akt stirbt die Mutter (Charlotte Butler), und Peer, nun ohne Über-Ich, gibt den Verlockungen nach. Aber Solveig schickt ihn nicht in die Wüste. Sie wartet auf ihn, bis sie alt und grau ist. Wie Nadja Saidakova die Solveig mit zarter Zurückhaltung verkörpert, ist anrührend. Vor allem, wenn sie von der Sängerin Martina Welschenbach begleitet wird, die Solveigs Lied vorträgt. Die Pas de deux von Peer und Solveig sind die Höhepunkte des Balletts. Er ist ihr aufrichtig zugeneigt. Doch es zieht ihn immer wieder fort. In ferne Welten, zu fremden Frauen. Edvard Griegs berühmte Peer-Gynt-Suiten hat Spoerli mit Kompositionen von Mark-Anthony Turnage und Brett Dean kombiniert. Die Klänge fügen sich kontrastreich ineinander, die Tanzszenen schwelgen zunächst in einer nordischen Fantasie-Folklore, um dann ins Expressive zu wechseln.

Dem Tänzer Peer steht ein Schauspieler zur Seite. Sebastian Hülk trägt Peers inneren Monolog recht steif vor, er ist teilweise kaum zu verstehen. Durch eine vertiefte Innenschau überzeugt der Abend jedenfalls nicht. Spoerli veranschaulicht die Zerrissenheit Peers aber auch symbolisch. Acht junge Männer vor Zerrspiegeln bedrängen Peer. Immer wieder überschlägt er sich, bis er nicht mehr weiß, ob Norwegen am Äquator liegt.

Die Trolle treten als tippelnde Eierköpfe auf, was wie eine Anleihe beim absurden Theater aussieht. „Leben heißt – Trolle tief in Herz und Seele bekämpfen“, hat Ibsen einmal erklärt. Doll treibt es der Troll – den Dämon in sich entdecken die Tänzer aber nicht. Die Koryphäen des Staatsballetts haben alle nur einen kurzen Auftritt. Ihnen gelingt aber eine pointierte Darstellung. Dinu Tamaziacaru begeistert als struwweliger Bergkönig durch furiose Sprungkraft. Polina Semionova umgarnt Peer als verführerische Orientalin Anitra. Leonard Jakovina als Tod entfaltet eine bedrohliche Körperlichkeit.

Malakhov stürzt sich freilich eher halbherzig in das Tanzabenteuer. So zünden die Szenen nicht richtig. Dieser „Peer Gynt“ ist zu brav und zu eindimensional.

So 20.11. 18 Uhr, 25., 28.,29.11. 19.30 Uhr

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