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TAUSCH handel (1): Vom Schenken und Kränken

In den frühzeitlichen Abteilungen der Völkerkundemuseen stößt man zuweilen auf Gegenstände, die an die eigene Kindheit erinnern: Pfeilspitzen, Muscheln, seltsame Werkzeuge, Klumpentierchen. Bezeichnet sind diese Objekte entweder als „Kultgeräte“ oder Utensilien eines vermutlich recht beschwerlichen Alltags vor zigtausend Jahren.

In den frühzeitlichen Abteilungen der Völkerkundemuseen stößt man zuweilen auf Gegenstände, die an die eigene Kindheit erinnern: Pfeilspitzen, Muscheln, seltsame Werkzeuge, Klumpentierchen. Bezeichnet sind diese Objekte entweder als „Kultgeräte“ oder Utensilien eines vermutlich recht beschwerlichen Alltags vor zigtausend Jahren. Was dabei so anrührt, ist der Gedanke, dass diese Menschen Sammler und Tauscher waren und man selbst als Kind und Jugendlicher offensichtlich Phasen der Menschheitsgeschichte, wenn auch verdichtet, durchlaufen hat. Bevor man Geld hatte, hat man getauscht. Murmeln, Fußballbilder, Matchbox-Autos. Tauschen ist erhabener als Kaufen, weil es aussieht wie gegenseitiges Schenken. Das Handeln im arabischen Souk, letztlich ein Kaufgeschäft, hat noch etwas von der Tauschkultur, da der Preis beweglich ist.

Auch das Weihnachtsfest wirft den Menschen in frühere Entwicklungsstadien zurück, nicht nur, weil es sich um Glaubensfragen dreht. Vor allem in den Tagen unmittelbar nach dem Fest werden archaische Verhaltensweisen freigesetzt. Nach dem Einkaufen und Geschenkeverteilen kommt es zum Umtausch, der manchmal etwas Zwanghaftes hat. Am 27. Dezember – in Amerika schon am 26. – wird zurückgetauscht. Es sind die umsatzstärksten Tage des Jahres, da auch sämtliche Gutscheine, Vouchers zu Deutsch, eingetauscht werden. Dieses Buch gegen jenes, jene Uhr gegen diese usw.: Umtausch macht den Beschenkten froh und kann den Schenker kränken. Weihnachtsmeister heben sämtliche Quittungen auf, dazu die jeweiligen Kredit- und EC-Karten, um die Rückabwicklung nicht zu behindern. Hat er das schon, wird es ihr gefallen? Man schenkt unter nervösem Vorbehalt, wer kann sich sicher sein? Und was bedeutet es, dass man jemandem sein Herz schenkt („Last Christmas I gave you my heart...“), während man Küsse tauscht? Wie dicht liegt Tauschen bei Täuschen...

In einer kleinen Serie zwischen den Jahren, in jenen Tagen, in denen das alte Jahr gegen ein neues eingetauscht wird, beschäftigen wir uns mit der Tauschkultur. Man kann Partner tauschen, mit der eigenen Identität ist das schon schwieriger. Vielleicht kann man demnächst auf wieder Drachmen, Peseten und Lire tauschen, womit wir zurück im Museum wären. Mal sehen, was 2012 so bringt. In Pompeij ist gerade eine römische Säule umgekippt; schlechtes Omen? Sicher ist: Reduzierte Ware bleibt vom Umtausch ausgeschlossen. Rüdiger Schaper

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