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TAUSCH handel (2): Mein Schweiß ist dein Schweiß

Zwischen den Jahren wird umgetauscht. Geschenke werden zurückgegeben, alte Gewohnheiten weichen neuen Vorsätzen, und das alte Jahr wird gegen ein neues eingewechselt.

Zwischen den Jahren wird umgetauscht. Geschenke werden zurückgegeben, alte Gewohnheiten weichen neuen Vorsätzen, und das alte Jahr wird gegen ein neues eingewechselt. Guter Anlass für eine kleine Tausch-Serie.

Eineinhalb Stunden haben sie sich mit allen Tricks bekämpft, sind hintereinander hergerannt, haben getreten und geschubst. Das alles ist plötzlich wie weggeblasen, wenn der Schlusspfiff ertönt. Die Männer geben einander die Hand, ziehen ihre verschwitzten T-Shirts über den Kopf und reichen sie dem Gegenüber. Der Trikottausch nach einem Fußballspiel ist ein Ritual von hoher Symbolkraft, in ihm mischen sich Respektsbekundung, Friedensschluss und Bewunderung. Und es ist der Moment, in dem die teuren Balltretmaschinen wieder zu Privatpersonen werden – zu alten Freunden, heimlichen Fans, künftigen Mitspielern oder begeisterten Sammlern.

Beim Trikottausch weicht die Anspannung langsam aus den Muskeln, und vielleicht blitzt auch dieses wunderbare Ur-Gefühl aus der Kindheit noch einmal auf: die Liebe zum Spiel. Jeder auf dem Platz hat einst aus reiner Freude mit dem Fußball begonnen, seine Gegner waren anfangs immer auch seine Freunde. Diese Erfahrung teilen alle Profikicker, und indem sie sich ihre durchnässten Shirts reichen, stärken sie diese Verbindung. Sie sagen damit: Ich komme vom selben Ort wie du. Mein Schweiß ist dein Schweiß.

Die Geschichte des Trikottauschs beginnt am 14. Mai 1931. Bei einem Freundschaftsspiel im Stade Yves-du-Manoir von Colombes gewann Frankreich mit 5:2 gegen England. Die französischen Spieler waren so euphorisch über ihren Erfolg – es war der zweite Sieg gegen England überhaupt –, dass sie die Briten um deren Hemden baten. Sie wollten ein Andenken an diese große Stunde mit nach Hause nehmen. Der erste wirklich einprägsame Trikottausch fand jedoch erst 1970 bei der Weltmeisterschaft in Mexiko statt: Nachdem Brasilien 1:0 gegen England gesiegt hatte, ging Pelé auf den englischen Kapitän Bobby Moore zu und reichte ihm sein Trikot, als Zeichen der Anerkennung. Daraufhin zog auch Moore sein Leibchen aus und schenkte es Pelé. Es gibt ein schönes Foto davon, wie die Athleten lachend und mit freiem Oberkörper einander die Wangen tätscheln, Moore hält lässig das leuchtend gelbe Hemd seines Gegners in der Hand.

Besonders begehrt sind die Hemden von Stars wie Messi oder Cristiano Ronaldo, die mitunter schon zur Halbzeit zum Jersey-Wechsel aufgefordert werden. Bei Qualifikationsspielen und Weltmeisterschaften, wenn Fußball-Zwergstaaten auf Fußball-Großmächte treffen, werden die unbekannteren Spieler zu regelrechten Trikotjägern. Als Star braucht man da schon ein gewisses diplomatisches Geschick. Oder einen großen Trikotvorrat. So brachte Pelé, als er zum Ausklang seiner Karriere in den Siebzigern für New York Cosmos spielte, bis zu 30 Shirts für das gegnerische Team mit – er wäre sonst nicht mehr aus dem Stadion gekommen. Doch nur ein einziger Spieler konnte sich rühmen, das „echte“ Shirt von O Rei ergattert zu haben: derjenige, der sein eigenes dafür gegeben hatte. Ein getauschtes Trikot ist mehr wert als ein geschenktes, denn in ihm ist der Augenblick aufgehoben, in dem sich selbst die ungleichsten Gegner auf Augenhöhe begegnet sind.

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