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TAUSCH handel (4): Sparks oder Spex

Es muss in den mittleren, eher späten achtziger Jahren gewesen sein. Damals gab es noch kaum Popmusik auf CDs, geschweige denn, dass Musik als Download verfügbar gewesen wäre.

Es muss in den mittleren, eher späten achtziger Jahren gewesen sein. Damals gab es noch kaum Popmusik auf CDs, geschweige denn, dass Musik als Download verfügbar gewesen wäre. Nein, man kaufte Vinylplatten in einschlägigen Läden, am besten deutsche oder holländische Pressungen, nicht die billigen aus Portugal oder Griechenland. Und war man zu faul, eine Platte im Laden kurz anzuhören und vertraute stattdessen den Rezensenten maßgeblicher Musikzeitungen, blieben böse Überraschungen nicht aus. So erwarb ich eines Tages das schon 1984 erschienene Doppelalbum der USHardcore- und Postpunk-Helden Hüsker Dü, „Zen Arcade“. Nur konnte ich damit nichts anfangen – trotz der Hymnen, die „Spex“ oder „Howl“ angestimmt hatten. Zu rau, zu viel Hardcore, zu wenig Melodien für meinen Geschmack. Ich verstand die Größe dieses Albums einfach nicht und begeisterte mich damals mehr für den Gitarrenpop britischer Prägung, etwa für die „Class of 86“, wie sie im „NME“ bezeichnet wurde.

Nur gut, dass die Vorlieben meines Bruders andere waren. Er hatte ebenfalls eine Platte gekauft, mit der er nicht gar so viel anfangen konnte, „Sharks“ von der britischen C-86er-Band Mighty Mighty, und ich schlug ihm einen Tausch vor: „Zen Arcade“ gegen „Sharks“, ein Album mit vielen sommerlichen Pop-Melodien. Er ging darauf ein – und ich musste mir lange seinen Spott und den seiner und meiner „Spex“-sozialisierten Freunde anhören. Einen Meilenstein, ja, einen Klassiker wie „Zen Arcade“ für so ein Schnullibulli-Album wie „Sparks“ einzutauschen! Ob ich noch bei Trost wäre? Ja, ob ich überhaupt etwas von Pop und Rock verstehen würde? Das sei ja viel schlimmer, als das Prefab-Sprout-Album „Swoon“ gegen „London-Hull 0:4“ von den Housemartins umzutauschen (wie ich es auch einmal gewagt hatte, in einem Plattenladen, bei City Music in Braunschweig).

Ich war erstaunt, dass mir solcher Hohn entgegengebracht wurde, solche Fragen gestellt wurden. Denn ich hatte viel Spaß mit Mighty Mighty, mit deren übrigens einzigem Album, mit so schön leicht schwebenden, nicht besonders tiefschürfenden, aber mich doch berührenden Songs wie „Yours Truly“ „Gemini Smiles“ oder „Blue and Green“. Das ist kein Pop, der in die Geschichte eingeht, sondern Pop für den Moment, für das eine Jahr, da er veröffentlicht wird und auf ein paar empfangsbereite Ohren und Herzen trifft. „Zen Arcade“ wollte ich nicht, habe ich mir auch im CD-Zeitalter nicht nachgekauft. Und die nachfolgenden Hüsker-Dü-Alben, die ich heute noch besitze, gehören auch nicht gerade zu meinen All-Time-Favourites. Mein Bruder aber hatte seinen Spaß, mit „Zen Arcade“, mit dem Tausch. Viele Jahre später schenkte er mir noch eine CD mit den John-Peel-Sessions von Mighty Mighty.

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