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Kultur: Tausendfüßler

Zum Tod des Verlegers und Publizisten Heinz Friedrich

Mit einem Bild Nietzsches hat sich Heinz Friedrich einmal als Tausendfüßler porträtiert: Unvermeidlich gerate er ins Straucheln, wenn er erklären solle, wie ihm das Gehen möglich sei. Tatsächlich war das Leben dieses Tausendfüßlers sehr bewegt. Am längsten, von 1961 bis 1990, hat ihn noch der Deutsche Taschenbuch Verlag halten können. Klaus Piper hatte Friedrich beim Wein von dem Unternehmen erzählt, mit dem elf angesehene deutsche Verlage ihre Bücher endlich selbst verwerten wollten. Friedrich, damals Programmdirektor bei Radio Bremen, entwickelte begeistert Pläne und wurde flugs beim Wort genommen. Weil bereits 29 Taschenbuchreihen florierten, entschloss er sich, „den Markt programmatisch herauszufordern und diese Herausforderung als Überraschungsmoment einzusetzen.“ Ein heute undenkbarer Unternehmer-Pirat mit Anspruch also.

Der gebildete und neugierige Grandseigneur verlegte Böll und Lenz, er brachte die erste Goethe-Ausgabe im Taschenbuch heraus und ließ die kritische Nietzsche-Edition sowie das Grimmsche Wörterbuch folgen. Von Anfang an beschäftigte er den Grafiker Celestino Piatti, dessen filigrane Zeichnungen auf weißem Grund die Taschenbücher veredelten. Von 1983 bis 1995 war Friedrich Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, und nach seiner Pensionierung schrieb er wieder mehr. Als Journalist hatte er 1945 nach der Rückkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft gearbeitet. Damals wohnte er der Gründung der Gruppe 47 bei, wurde Rundfunkredakteur und Lektor bei S. Fischer. In seinen späten Feuilletons zog er gegen die Kräfte des Fortschritts in Technik, Wissenschaft und Wirtschaft zu Felde, die den Menschen zerstörten. Orientierung vermisste er, der selbst rastlos war und sie in der klassischen Kunst fand. Gestern ist Heinz Friedrich nach langer Krankheit einen Tag vor seinem 82. Geburtstag in München gestorben.

Jörg Plath

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