zum Hauptinhalt

Tefaf: Die Kunst des Geldausgebens

Rembrandt, Rubens, Tintoretto - die Tefaf in Maastricht ist die exklusivste Kunstmesse der Welt. Museen kaufen hier, aber auch Michael Schumacher und Silvio Berlusconi. Von Kerstin Schweighöfer

Maastricht - Die Tulpen - wohin mit den gelben Tulpen? Suchend sehen sich die beiden Messearbeiter um, jeder einen schweren Blumenkasten vor sich auf den Armen. "Vor unserem Messestand dürfen sie nicht stehen bleiben, das ist öffentlicher Raum und verboten", sagt Galerieleiterin Eva Bitzinger vom Münchner Kunsthandel Bernheimer. Ihr Blick fällt auf den antiken Holztisch mit den einladenden grünen Polstersesseln in der Mitte des Standes: "Stellt sie mal davor ab!"

Als "Mädchen für alles", wie sie sich selbst bezeichnet, hat die 42 Jahre alte Kunsthistorikerin diese Woche ganz besonders viel zu tun. Es geht um eine Kunst- und Antiquitätenmesse, um die Tefaf, die "The European Fine Art Fair". Da wird nichts dem Zufall überlassen, da kommt es auf das kleinste Detail an - auch auf "eine gescheite Espressomaschine und einen guten Kühlschrank, um den Champagner kühl zu halten".

Denn die Tefaf, die dieses Jahr ihren 20. Geburtstag feiert, gilt als Messe der Superlative - als feinste, teuerste, wichtigste der Welt. Für Sammler, Kuratoren und Museumsdirektoren ist sie ein Muss. Denn jedes Jahr im März zeigen rund 200 der renommiertesten internationalen Kunsthändler in den Maastrichter Messehallen zehn Tage lang das Feinste vom Feinen.

Egal, ob Rembrandt, Rubens oder Tintoretto - so manchem Kunstliebhaber wird schwindlig angesichts dieser Inflation hochkarätiger Meisterwerke, auf die er sonst nur in Museen trifft. 80 Prozent aller alten Meister, die auf dem Markt noch zu haben sind, werden hier angeboten. In den letzten zehn Jahren wurden auch die Bereiche moderne und zeitgenössische Kunst ausgebaut: "eine einzigartige Kombination, das macht die Tefaf konkurrenzlos", sagt Bitzingers Chef Konrad Bernheimer.

Der stattliche große Mann führt das Münchner Familienunternehmen, das zu den bekanntesten Kunsthändlerdynastien Europas gehört, in vierter Generation und war von Anfang an in Maastricht mit dabei. Ins Detail will er zwar nicht gehen, aber so wie seine Kollegen macht auch er auf der Tefaf den größten Teil seines Jahresumsatzes, nämlich durchschnittlich zwischen 25 und 30 Prozent. Und so wie die Konkurrenz pflegt auch Bernheimer sich die besten Stücke für Maastricht aufzuheben: "Hier haben wir einen tollen Blumenstrauß von Brueghel", erklärt er und weist im Vorbeigehen auf ein Blumenstillleben von Jan Brueghel dem Jüngeren. "Dort hängt ein wunderbarer Vernet, und das hier ist ein wirklich köstlicher Cranach, das Ungleiche Paar'!" Es zeigt einen alten hässlichen Mann, der einer jungen hübschen Frau ins Dekolleté greift, während sie ihm an den prallgefüllten Geldbeutel geht. "Das ist auch heute noch ein Thema!", versichert Eva Bitzinger, die inzwischen dafür gesorgt hat, dass die gelben Tulpen den Ausgang des Messestands flankieren: "So ist es schön symmetrisch und stimmt wieder", meint sie zufrieden, während sie den Preis für ein Rokokogemälde von Francois Boucher heraussucht: 1,2 Millionen ¬ kostet die "Dame am Schminktisch", die gerade einen Schönheitsfleck auf ihrer Backe anbringen will: "Sehen Sie die witzige Dose mit der Puderquaste? Sieht a bisserl aus wie ein Pudel!"

Insgesamt werden auf der Tefaf rund 25.000 Kunstobjekte im Wert von zwei Milliarden Euro angeboten. Über die Sicherheitsmaßnahmen verliert die Messeleitung kein einziges Wort. Ebenfalls geheim gehalten werden die Befunde der 80-köpfigen Qualitätsjury aus Kunsthistorikern und Restauratoren, die zwei Tage vor Messebeginn Qualität, Echtheit und Herkunft eines jeden Exponats überprüft. Gibt es auch nur leiseste Zweifel, muss das Werk zurückgezogen werden. Auch Arbeiten, die aufgrund von Schäden zu stark restauriert oder in ihrem Charakter beeinträchtigt wurden, finden vor den Augen der Jury keine Gnade. Mit schlechter Ware anzurücken, kann sich ein Händler nur einmal leisten, dann wird er von der Teilnehmerliste gestrichen.

Andere Messen haben Stände, die Tefaf hat Salons. Die Kunsthändler können sie nach Belieben einrichten, mal protzig mit viel Marmor wie in einem Palast, mal gemütlich wie in einer mittelalterlichen Bibliothek - oder klassisch-elegant wie bei Bernheimer, der in diesem Jahr einen Ausstellungssaal seiner Londoner Galerie Colnaghi aus dem 18. Jahrhundert imitiert hat, inklusive Lichtkuppel und weinrote Wände.

Die Minuten vor dem moment supreme, die Ruhe vor dem Sturm, wenn sich die Reichsten der Reichen bereits am Eindrang drängen, um zur VIP-Eröffnung hereingelassen zu werden - das sei eigentlich der spannendste und auch schönste Augenblick der Messe: "Dann sisselt es in der Luft", sagt Bitzinger.

Ihr Messenachbar Johnny van Haeften von der gleichnamigen Londoner Galerie ist da weniger poetisch: "Es ist wie bei Harrod's, wenn der Sommerschlussverkauf losgeht", sagt er. "Mit einem Unterschied: Hier braucht man etwas mehr Geld."

Zum Beispiel 34,3 Millionen Euro für einen Renoir: das Porträt der Madame Clapisson" auf einer Gartenbank zwischen den Rosen. 2,8 Millionen für das größte Gemälde, das Dali je gemalt hat. Oder 6,8 Millionen für die "Wut des Achilles" von Jacques-Louis David.

Der New Yorker Kunsthandel Wildenstein verkaufte gleich am ersten Tag Kunst im Wert von 30 Millionen Euro. Auch Johnny van Haeften wurde sein Prunkstück im Handumdrehen los: Für rund vier Millionen Euro ging eine "Italienische Landschaft" des Niederländers Jan Both an einen amerikanischen Privatsammler. Ein Jan Steen und ein Salomon van Ruysdael wechselten ebenfalls den Besitzer. Und auch Konrad Bernheimer ist zufrieden: Insgesamt acht Gemälde konnte er in den ersten vier Tagen verkaufen, darunter das "Ungleiche Paar" von Cranach an einen Privatsammler, für wie viel, verrät er nicht. Die Rokoko-Dame von Boucher geht so gut wie sicher an ein amerikanisches Museum.

Es könnte dieses Jahr - die Messe endet an diesem Sonntag - zu neuen Rekordumsätzen kommen: Noch nie reisten so viele Museumsdelegationen an, darunter die National Gallery in Washinghton und das Boston Fine Art Museum. Auch bekannte Sammler aus den USA kamen in ganzen Scharen, zum Beispiel Gerox-Präsident Erwin Engelman mit Gattin Rosalyn, selbst Künstlerin. Dass die Russen im Kommen sind, bewies eine Delegation hoher russischer Politiker. Michael Schumacher wurde gesehen, Brad Pitt und George Clooney werden noch erwartet, und der italienische Ex-Premier Silvio Berlusconi nutzte die Gelegenheit, um noch vor Ort mit seinen Käufen zu protzen: 1,5 Millionen Euro zahlte er, um die Tefaf mit acht Gemälden und einer Bronzeskulptur wieder zu verlassen.

Vorwürfe, diese Messe sei viel zu versnobt und teuer, weist Bernheimer entrüstet zurück: "Blödsinn!" Das Gegenteil sei der Fall: Die Tefaf mache es den Besuchern leicht, weil sie geballte Qualität aus aller Welt unter einem Dach vereine, die Hemmschwelle sei viel niedriger als bei einem Besuch in einer einzelnen Galerie oder auf einer Versteigerung. Das gelte auch für die Preise: "Wenn ich einen Jan van Goyen im Angebot habe und mein Nachbar auch, dann sorge ich dafür, dass meiner billiger ist, denn ich will verkaufen", sagt Johnny van Haeften. Das sei ein weiterer Vorteil im Vergleich zu Auktionen: "Da werden die Preise hochgeschraubt, bei uns runter."

Was allerdings nicht für die Eingangspreise gilt: Die wurden dieses Jahr erhöht von 40 auf 55 Euro pro Person. Ziel: Besucher abschrecken und den exclusiven Charakter der Messe wahren. Denn mit langen Warteschlangen vor dem Klo ist dem Image der Tefaf nicht gedient. Sie drohte Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden: In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Besucher vervierfacht auf 84.000 in 11 Tagen, damit ist die Obergrenze erreicht. Das gilt auch für die Händler, deren Zahl sich auf 219 verdoppelt hat. "Mehr als 100 stehen auf der Warteliste", sagt Bernheimer. "Rein kommt man nur noch, wenn jemand rausfällt."

Lachend erinnert er sich mit Messenachbar und Freund van Haeften an die Anfänge: "Beim ersten Mal war es so leer, dass wir zwischen den Salons Boules spielten", erzählt van Haeften. Maastricht sei damals für die meisten noch ein blinder Fleck auf der Landkarte gewesen: "Was mussten wir Überzeugungsarbeit leisten, um unsere Kunden dazu zu bringen, die lange Reise in the middle of nowhere anzutreten!"

Genau das jedoch hat sich als Erfolgsgeheimnis der Tefaf entpuppt: Die Messen in London, Paris oder New York besucht man nebenbei, weil man ohnehin in der Stadt ist. Nach Maastricht hingegen begibt man sich ganz bewusst. Deshalb ist die durchschnittliche Verweildauer auf der Tefaf mit sieben Stunden auch fast viermal länger als auf anderen Messen. Und je länger man bleibt, desto eher kauft man was - erst recht, wenn man eine lange Anreise hinter sich hat und sich um ein Hotelzimmer streiten musste: "Wer bereit ist, soviel auf sich zu nehmen", betont Bernheimer, "der will nicht ohne Trophäe wieder abreisen." (Tsp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false