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Kultur: Teilnehmer nicht erreichbar!

Ein

von Christiane Peitz

Die Welt ist bekanntlich ein globales Dorf. Alles fließt, alles ist vernetzt: Waren, Daten, Kommunikation – allüberall ist man online dabei. Dass die 15Familien-Gemeinde Mink im ländlichen Louisiana erst diese Woche ans Telefonnetz angeschlossen wurde, ist da doch irgendwie tröstlich. Selbst in den Hightech-Sphären der westlichen Zivilisation gibt es letzte Reste von Freiraum: Hier zappelte bis gestern keiner im Netz, hier war der Himmel unverkabelt, konntest du abschalten, warst Mensch.

Schon schade: Jetzt müssen auch die Minkser telefonieren. Bleibt nur noch das Reich der Toten, das noch bei den alten Griechen lediglich durch einen Fluss von den irdischen Gefilden abgetrennt war, heutzutage aber als unerreichbar entrückte Offline-Region gilt. Da kann man noch so erfinderisch sein: Der frisch patentierte „Telefon-Engel“ des Osnabrücker Handy-Bastlers Jürgen Bröther ermöglicht dank stärkstem Akku der Welt und Stand-By-Zeit von einem Jahr zwar Gespräche mit Verstorbenen. Das im Grab installierte schuhkartongroße Immobiltelefon hebt auch sofort ab, aber der Trauernde kann die tote Mama trotzdem nur monologisch kontaktieren. Das Jenseits: eine Mailbox, keine Zeitreise. Das mit der mobiltelefonischen Zeitreise hat Martin Walser ja mal probiert. In seinem 2001 erschienenen Roman „Der Lebenslauf der Liebe“ telefoniert Susi mit dem Handy, 1974, also vor Erfindung desselben. Die Literaturkritik amüsierte sich ob des Anachronismus, umgekehrt wird allerdings noch lange kein Schuhkarton draus.

Zum Glück gibt es die Klassiker. Der von den Thrakerinnen in Stücke gerissene Orpheus, dessen körperloses Haupt immer noch von Eurydike singt. Des Hamlet-Vaters furchterregende Totenstimme. Der ermordete Komtur als steinerner Gast von „Don Giovanni“: Gegen ihren Schattenreichtum ist das Kommunikationszeitalter ein einziges Funkloch.

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