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Kultur: Telegrafenharfen

Bob Rutmans Klangabenteuer im Roten Salon

Bei Bob Rutman sind Klangflächen keine fliegenden Teppiche, sondern scharfkantig wie Konservendeckel. Wenn er Schwingungen produziert, dann nicht, um Zartbesaitete zu besäuseln. Bei ihm scheppert das Blech und schnarren Eisenstäbe. Bereits vor über 40 Jahren hat der 79-jährige Maler, Bildhauer, Musiker und Instrumentenbauer sein Stahl-Cello erfunden, ein über zwei Meter hohes Metallsegel, das sich unter der Spannung einer Stahlsaite wölbt; sowie das „Bow Chime“, ein Metallschild mit Eisenstäben, die per Streichbogen zum Klirren gebracht werden. Auch nach zwei Schlaganfällen ist der Beatnik noch fit genug, um mit seinen Klanggewittern zu erfreuen. Beim Auftritt im Roten Salon begleitet ihn Kristof Hahn, der mit seiner Steelgitarre winselnde Sounds produziert. Außerdem der Schlagzeuger Niko Lippolis, der alles mit flockigen Schüttelgrooves unterfüttert, sowie zwei Sängerinnen, die mit Vokalakrobatik im Stil von Yoko Ono glänzen.

Dabei entsteht ein rituelles Beben und Rumoren, das an eine Geisterbeschwörung erinnert. Man denkt an den Untergang der Titanic, knirschende Geheimnisse der Tiefsee oder den amerikanischen Westen, wo sich summende Telegrafendrähte in Harfen verwandeln. Dazu bewegt sich die japanische Butoh-Tänzerin Yuko Kaseki wie ein Wesen aus einer Schattenwelt. Dabei ist die Performance keine in sich geschlossene Klangwelt. Aber in ihrer offenen Form und ihrem spielerisch intimen Charakter liegt ein humaner Charme, der nach zwei einstündigen Sets so etwas wie einen Hauch Glückseligkeit hinterlässt. Volker Lüke

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