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Kultur: Telekom und Börse: Fieber-Folgen: Die Aktie ist auf Talfahrt - seit Tagen ungebremst. Auch am Neuen Markt ist ein Rekordtief erreicht

Nichts irritiert die Börsianer so sehr wie die Unsicherheit. Und davon gibt es zurzeit eine Menge.

Nichts irritiert die Börsianer so sehr wie die Unsicherheit. Und davon gibt es zurzeit eine Menge. Die Konjunkturaussichten sind unsicher, die Gewinne der großen Technologie-Unternehmen sind es und die Zukunft der gesamten Internet-Wirtschaft ist es inzwischen auch. Nur auf eines können sich die Anleger scheinbar noch verlassen: Mit den Aktien geht es bergab. Vor allem am Neuen Markt ist ein Ende der Talfahrt, die im Frühling 2000 begann, nicht in Sicht. Am Donnerstag stand der Nemax-50, der Index für die 50 größten Unternehmen des Frankfurter Börsensegmentes, wieder dort, wo er vor zwei Jahren schon einmal war - bei 2040 Punkten. Gemessen am Rekordstand vor weniger als einem Jahr ist das ein Verlust von fast 80 Prozent. "Wir sehen nicht, dass es bald besser werden könnte", dämpft Regina von Hagen, Fondsmanagerin am Neuen Markt, die Hoffnungen vieler Anleger. "Es fehlt die Initialzündung, der Sinneswandel, der die Investoren zu einem Neueinstieg bewegen könnte."

Doch Katerstimmung macht sich nicht nur am Neuen Markt breit: Die Aussicht auf schöne Kursgewinne, mit der kleine und große Anleger in Deutschland auf das Parkett gelockt wurden, ist umgeschlagen in allgemeinen Argwohn und Pessimismus. Nach den so genannten Wachstumsfirmen der New Economy haben die Börsenskeptiker jetzt große, etablierte Konzerne wie Daimler-Chrysler und die Telekom ins Visier genommen. Die T-Aktie - das Symbol für die erwachende Börsenbegeisterung der Deutschen - droht dabei zum Spielball der Zocker zu werden. "Hier sind bei Preisen um 25 Euro Schnäppchenjäger zu Gange", kommentierte ein Aktienhändler das hektische Auf und Ab des Kurses am Donnerstag.

Belastbarkeitstest

Wegen der Bilanzkorrekturen und der jüngsten Kursturbulenzen prüfen Aktionärsschützer inzwischen Klagen gegen das Unternehmen. Sowohl die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) als auch die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) teilten am Donnerstag mit, sie untersuchten die Möglichkeit von Prospekthaftungsklagen. Die Aktionärsschützer forderten, die Verantwortung für die milliardenschweren Abwertungen im Immobilienbesitz der Telekom zu klären. Der Wettbewerbsexperte der CDU/CSU-Fraktion, Hartmut Schauerte, stellte die Führungsqualitäten von Konzernchef Ron Sommer in Frage. "Wenn er nicht aufhört, die Schuld bei anderen zu suchen, ist ein Rücktritt unausweichlich." Sommer selbst wies alle Spekulationen über seinen möglichen Rücktritt zurück. "Mein Stuhl wackelt nicht - und wenn es noch so oft geschrieben wird", zitierte die "Süddeutsche Zeitung" den Telekom-Chef. Der Aufsichtsrat stehe fest zu ihm. "Und was die Politik anbelangt", so Sommer weiter, "so würde ich zwischen wesentlichen und unwesentlichen Stimmen unterscheiden. Auf die wesentlichen kann ich mich verlassen."

"Die Anleger testen jetzt, wie belastbar der Vorstand und die Bilanz der Telekom sind", sagt Thomas Schießle, Abteilungsdirektor im Research des Frankfurter Bankhauses Delbrück & Co. Dass der Konzern zu den stärksten Spielern im Telekommunikationsmarkt zähle, sei unbestritten. Aber: "Eine fatale Spirale ins Unglück ist auch bei der Telekom nicht ausgeschlossen."

Angst vor dem großen Knall

Börsenkundige warnen indes vor Hysterie. Zwischen Aktien-Hype und Schadenersatzklagen verweisen sie auf einen simplen Zusammenhang: Auch am Kapitalmarkt handeln Menschen, die sich von Stimmungen leiten lassen. "Mancher Investor hat einfach Angst, dass es an der Börse noch richtig knallen wird", sagt Thomas Schießle. Grund zur Sorge gibt die konjunkturelle Großwetterlage, vor allem in den USA. "Die Abkühlung der amerikanischen Wirtschaft ist deutlich stärker ausgefallen, als wir vor ein paar Monaten gedacht haben", räumt Karsten Julius ein, Volkswirt bei der Frankfurter DGZ-Deka-Bank, der Investmentbank der Sparkassen. Neben die zahlreichen Gewinnwarnungen der großen Technologie-Konzerne wie Hewlett-Packard, Dell oder Nortel Networks und die rasant gesunkenen Wachstumsraten ist nun auch noch das Gespenst der Stagflation getreten: Steigende Preise plus Rezession. Die Januar-Statistiken weisen einen überraschend starken Anstieg der Erzeuger- und Verbraucherpreise in den USA aus - ein Alptraum für die Börse. Dämpft der Preisdruck doch die Hoffnungen der Anleger auf sinkende Zinsen, also billiges Geld, das wieder an den Märkten investiert werden könnte.

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