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Kultur: Teodoro Gonzales De Leon im Interview: Wie holten Sie Mexikos Licht nach Berlin?

Teodoro Gonzales De Leon wurde 1926 in Mexiko-Stadt geboren. Er studierte dort an der Academia de San Carlos Architektur und arbeitete anschließend bei Le Corbusier in Paris.

Teodoro Gonzales De Leon wurde 1926 in Mexiko-Stadt geboren. Er studierte dort an der Academia de San Carlos Architektur und arbeitete anschließend bei Le Corbusier in Paris. Zusammen mit dem Architekten Francisco Serrano entwarf er seit 1972 zahlreiche Staatsgebäude in Mexiko-Stadt, den Palast der Bundesjustiz 1987, das Senatsgebäude 1995 sowie einige Botschaftsgebäude seines Landes im Ausland. Den vom mexikanischen Außenministerium ausgeschriebenen Wettbewerb für den Bau der mexikanischen Botschaft in Berlin gewannen Gonzáles de Léon und Francisco Serrano 1997. Heute wird das Gebäude am Klingelhöferdreieck eröffnet.

Sie haben einmal gesagt: "Das Kunstwerk ist ein Bild unserer Zeit, grenzenlos und international. Wenn es unverfälscht ist, enthüllt es im Grunde etwas Lokales: Es drückt das kollektive Unterbewusstsein des jeweiligen Ortes aus." Ein Botschaftsgebäude lässt sich als Akteur in einem weltpolitischen Spiel begreifen, in dem es um Repräsentation geht. Wie gehen Sie als Architekt mit dieser Aufgabe um und wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die Hauptfassade des Gebäudes?

Die Fassade eines Gebäudes ist sein Gesicht. Ein Gesicht zur Stadt. Ein wichtiges Element, das die Architekten der Moderne lange Zeit zu gering schätzten, ist der Eingang. Man vergaß, dass der Eingang die Verbindung - eine Brücke - zwischen Gebäude und Stadt darstellt: Eingang ... Fassade ... Stadt. Warum sollte man nicht den Eingang feiern, auf eine zeitgenössische Art und Weise? Das haben wir in dem Botschaftsgebäude versucht. Der Portikus rahmt ein Spiel aus Betonlamellen, das auf der einen Seite eine gekrümmte dreidimensionale Oberfläche, auf der anderen Seite eine schräg gestellte Ebene formt. So entsteht ein großer Hohlraum, in dem sich der Eingang befindet. In dem Portikus - hinter den Lamellen - gibt es zahlreiche Fenster. Dementsprechend erscheint die Fassade opak, wenn man an ihr entlanggeht - und transparent, wenn man im rechten Winkel zu ihr steht. Im Inneren entsteht dagegen an allen Standpunkten der Eindruck von Transparenz.

Natürlich sind die Probleme eines Botschaftsgebäudes auch politischer Natur. Ein Land wird vertreten. Man muss daher mit Formen arbeiten, die das Land repräsentieren. In diesem Fall ist es erlaubt, an eine gewisse Monumentalität zu denken - an ein Gebäude, das als Denkmal wahrgenommen wird. Wir wollten nicht in eine schwere Monumentalität verfallen, sondern eine "leichte" haben, wie sie die Betonlamellen erzeugen. Das Gebäude wirkt leicht und frisch und repräsentiert damit ein junges Land, unsere moderne Ökonomie. Zugleich zeigt es sich monumental, weil Mexiko auch ein sehr altes Land ist, mit alten Kulturen, in denen wir verwurzelt sind. Jung ist unsere Ökonomie. Das wollen wir mit unseren Formen ausdrücken.

Es ist schwer, diese Dinge zu beschreiben. Worte helfen nicht, wenn wir von architektonischen Formen sprechen. Architektur ist stumm - wie Le Corbusier sagte -; sie ist stumm, weil sie eine andere Sprache spricht.

Die Baukörper des Botschaftsgebäudes gruppieren sich um einen zylindrischen Zentralraum, von dem aus das Gebäude erschlossen wird. Welche Rolle spielt die Idee des Zentralraums in Ihren Bauten?

In jedem Haus sollte es einen Hohlraum geben. Fügt man ihn in ein Gebäude ein, kann der Besucher die Idee des Ganzen erfassen. Betrachten wir eine Architektur von außen, so ergänzen wir sie in unserer Vorstellung immer zu einem vollständigen Bild. Wenn wir ein geschlossenes Gebäude betreten, in dem es keinen Patio, oder keinen anderen gleichwertigen Raum gibt, reihen sich die Innenräume kleinteilig aneinander und dann ist Schluss. In einem zentralen Raum hingegen lässt sich die Idee des Gebäudes erkennen und zwar während des gesamten Tagesverlaufes, immer wieder. Wenn man seine Zelle - zum Beispiel das eigene Büro - verlässt, betritt man den zentralen Raum und nimmt von Neuem die Gesamtkonzeption wahr.

Das Material, das Sie für das Gebäude benutzen, ist in Berlin kaum bekannt . ..

Wir arbeiten mit gemeißeltem Beton, der aus gemahlenem Marmor anstelle von Sand, und aus Marmorstückchen anstelle von Kies hergestellt wird. So entsteht ein von Menschen gemachter Marmor. Wenn man die Oberfläche bearbeitet, treten die Marmorstückchen wunderbar zu Tage. Das Marmorpulver benutzen wir, damit der Hintergrund die gleiche Farbe wie die Marmorsplitter bekommt.

Sie verwenden dieses Material in den meisten Ihrer Bauten in Mexiko. Welche Erfahrungen machten Sie damit bei der Arbeit in Berlin?

Das war ein delikates Problem. Wir dachten, dass durch die Handarbeit, die mit dem Meißeln des Betons verbunden ist, hohe Kosten entstehen würden. In Mexiko setzen wir bewusst viel Handarbeit ein, da die Schaffung von Arbeitsplätzen dort eine wichtige Aufgabe ist. Was dort von Vorteil ist, wird hier sehr teuer. Dazu gibt es eine Anekdote: Wir wollten eine kleine Truppe erfahrener Arbeiter aus Chimalhuacan nach Berlin kommen lassen. Wir hatten schon die offizielle Erlaubnis, als wir erfuhren, dass polnische Arbeiter den Beton mit leichten elektronischen Schlagbohrern meißeln könnten. Mit den Schlagbohrern wurde schließlich genau dieselbe Leistung erzielt wie in Mexiko mit Meißel und Hammer.

Inwiefern hat die Lichtwirkung die Gesamtkomposition des Gebäudes bestimmt?

Wer die Botschaft besucht, ist überrascht von der Lichtmenge im Inneren. Ich glaube, Architektur muss hell sein. Manche Leute in Mexiko sagen, man sollte schattige Orte schaffen - ich nicht. Der Innenraum muss von Licht überschwemmt werden.

Aber das Botschaftsgebäude öffnet sich doch nicht vollständig, wie z. B. die curtain wall des Sony-Centers von Helmut Jahn?

Nein, natürlich nicht. Im Botschaftsgebäude kommt das Licht zwar von allen Seiten und von oben, aber die Lichtführung ist anders. Auf den weißen Oberflächen spiegeln sich die Lichtreflexe. Dagegen ist direkt einfallendes Licht im Prinzip tot. Vor der Sonne muss man sich mit einem Vorhang schützen, sonst schlägt das Licht im rechten Winkel auf die horizontalen Flächen. Das Licht, das ich suche, ist reich an Reflexen. Das kann man ertragen, darin kann man leben. Durch die Betonlamellen dringt ein kontrolliertes Licht ein, das auf den Wänden nuanciert Reflexe erzeugt.

Im Zylinder sammelt sich das Licht...

Ja, der Zylinder fängt das Licht aus Westen und aus Süden ein und leitet es ins Herz des Gebäudes.

In Ihrer Essaysammlung Retrato de arquitecto con ciudad schreiben Sie: "Die Städte sind dem Zufall, der Zeit und der Erinnerung verpflichtet. Mit anderen Worten: Sie werden durch die Menschen geschaffen, durch die Regierung gelenkt, durch die Zeit verändert und durch die Erinnerung bewahrt. Die Qualität einer Stadt beruht auf dem Gleichgewicht dieser vier Faktoren (...) Städte sind schön, wenn ihre Gebäude zu Kunstwerken werden." Wie würden Sie Mexiko-Stadt und Berlin beschreiben?

Wenn ein Architekt ein Gebäude errichtet, setzt er ein Zeichen. Wenn dieses Zeichen zu einem Ort wird, hat der Architekt der Stadt einen Gefallen getan. Mit diesem Orientierungspunkt, an dem sich Menschen treffen, entsteht Stadt. Wo ist am Kurfürstendamm das Mendelssohn-Gebäude? Ich weiß, das ist das Haus mit der Rundung. Mendelssohn hat hier ein unveränderliches Zeichen gesetzt. Es ist die Aufgabe der Architektur Zeichen zu setzen, die Stadt durch Orte zu bereichern.

Alle Städte haben einen alten Kern mit einer homogenen Gestalt. Im Falle von Mexiko-Stadt ist dieser Kern schlecht erhalten, aber sehr ausdrucksstark. Berlin hat einen fantastischen Kern, obwohl er sehr stark beschädigt ist. Ein Vergleich ist schwierig ... Berlin ist eine sehr offene Stadt, mit vielen Parkanlagen. Mexiko-Stadt ist voll von nahezu brutaler Aktivität und beeindruckend intensiv. Berlin ist dagegen eine sehr ruhige Stadt. Jenseits des Zentrums ist die Anlage Mexiko-Stadts auf brutale Weise ungeordnet. Hier muss der Architekt einen Kontrast in der Unordnung schaffen, mit Architektur die Unordnung noch steigern. In Berlin sollte man sich vielleicht eher an die dominierende Traufhöhe halten. 1922 entwarf Mies van der Rohe sein geniales Wolkenkratzerprojekt für die Friedrichstraße. Es wäre für mich eines der schönsten Gebäude der Welt geworden, aber man hat sich nicht getraut. Berlin traut sich immer noch nicht ... oder nur sehr zaghaft.

Sie haben einmal gesagt: \"Das Kunstwerk ist ein Bi

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