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Kultur: Terrorismus ist Medienkunst

Symposium „Krieg und Frieden“ am Karlsruher ZKM

Eine Munitionsfabrik aus dem Ersten Weltkrieg beherbergt heute in Karlsruhe die Hochschule für Gestaltung, und natürlich versäumte es deren Rektor Peter Sloterdijk nicht, bei der Eröffnung des Symposiums „Krieg und Frieden“ süffisant auf diesen Umstand hinzuweisen. Ein Ort, der einst auf die erste große militärische Intervention der USA außerhalb Amerikas hinarbeitete, schien geeignet, sich Gedanken zur „Anatomie der Pax Americana“ zu machen.

Was als Nachbereitung der New Yorker Anschläge und Analyse des Kriegsszenarios gegen den Irak gedacht war, kam zunächst nicht über die Rhetorik orthodoxer Globalisierungsgegner hinaus – „Empire“ war das Schlagwort des Abends. So bemühte der britische Politikwissenschaftler Nafeez Mosaddeq Ahmed amerikanische Regierungsdokumente bis zurück in die vierziger Jahre, um den Anspruch auf Welthegemonie zu belegen. Sein amerikanischer Kollege Samuel Weber erklärte, wie die Empire-Ideologie selbst in liberalen Kreisen Raum gewinnt. Zum Abschluss zog der norwegische Friedensforscher Johan Galtung wortreich über „Geofaschismus“ und gegen McDonald’s her.

„Verschwörungstheorien sind langweilig – selbst wenn sie stimmen", hielt fast als Einziger der Berliner Kulturwissenschaftler Thomas Macho dagegen. Er griff das US-Trauma des Bürgerkrieges 1861 bis 1865 auf, um Verbindungslinien zu Al Qaida zu ziehen: bin Laden mutierte zum Anführer einer Konföderation, die das Rebellen-Image der abtrünnigen Südstaatler ins 3. Jahrtausend transportiert und die globalen Unionisten bekämpft.

Boris Groys dagegen verstand den meistgesuchten Terroristen der Welt schlicht als einen Videokünstler. Der Karlsruher Philosoph bot unter dem Motto „Bellizismus der Köpfe“ die spannendste Performance. Kurzerhand blendete Groys jede ökonomische und kulturphilosophische Ursachenforschung zum Terrorismus aus und widmete sich dem Ereignis auf der Bühne seiner Wahrnehmung: „Terrorismus ist Medienkunst.“ Mit seiner These „Terror ist eine Verdeutlichungstechnik“ zielte Peter Sloterdijk in eine ähnliche Richtung. Im Laufe seines Vortrages „Wenn Krieg in der Luft liegt“ hatte er aber Schwierigkeiten, von einer an sich interessanten Genealogie des Gaskrieges („Wir entziehen die Selbstverständlichkeit des Zugangs zur Atemluft") zu den gegenwärtigen Konflikten zurückzufinden.

So litt die Veranstaltung zum einen an Absagen der internationalen Prominenz in Gestalt von Susan Sontag und Paul Virilio, zum anderen an der mangelnden Fokussierung mancher Referate. Allein Herfried Münkler erläuterte die Thesen seines Buches „Die neuen Kriege“ (Rowohlt) so präzise, wie die Smart Bombs es gerne wären. Ein Reiz dieses Symposiums lag allerdings darin, sich vorzustellen, es habe vor einem Jahr stattgefunden. Damals hätten vermutlich sämtliche Teilnehmer um ihre Karriere bangen müssen. Wie Karlheinz Stockhausen, der den Anschlag als perfektes Kunstwerk beschrieben hatte.

Malte Oberschelp

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