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Kultur: Teufels Treiben

J. M. Coetzee über Mailers Hitler-Roman

Mit seinem Hitler-Roman „The Castle in the Forest“ (Das Waldschloss) ist der 84-jährige Norman Mailer das amerikanische Literaturevent der Stunde. Zugleich ist das Buch, dessen erzählerischer Rahmen bis ins 16. Lebensjahr des späteren „Führers“ reicht, bisher weitgehend ein Anlass zu kritischem Hohn und Spott geblieben. Mailers Versuch, das Verbrecherische an Hitler mit der Einflussnahme des Teufels zu erklären, der schon bei der Empfängnis des Jungen mitgewirkt habe, zog den Vorwurf auf sich, metaphysischer Kitsch zu sein.

In der jüngsten Ausgabe der „New York Review of Books“ meldet sich nun mit dem südafrikanischen Literaturnobelpreisträger J. M. Coetzee zwar wiederum ein Skeptiker zu Wort, doch nimmt er Mailer in beeindruckender Weise Ernst. Unter dem Titel „Portrait of the Monster as a Young Artist“ misst er Mailers literarische Leistung an der von Dostojewskis berühmtesten Romanen und untersucht, wie der Autor Hannah Arendts Gedanken von der „Banalität des Bösen“ gerecht wird, wie er in ihrem „Eichmann in Jerusalem“ auftaucht.

„Uns dabei zu helfen, den ,geheimnisvollsten Menschen des Jahrhunderts’ zu verstehen“, schreibt Coetzee, „ist tatsächlich ein zeitgemäßes Unternehmen. Aber wie genau befördert sein Roman unser Verständnis? Behauptet Mailer, indem er uns in die Seele eines wenig liebenswerten Kindes führt, das beim Anblick von Bienen, die bei lebendigem Leib verbrannt werden, physisch erregt wird und zu den Geräuschen seines bluthustenden Vaters masturbiert, dass wir Hitler besser verstehen? Nun, da wir doch sehen, dass sich die bösen Taten des Erwachsenen nur durch die Ungeheuerlichkeit der Dimension von den Taten seiner Kinderpersönlichkeit unterscheiden, beides aber Ausdruck einer verwirrten Psychopathologie ist, deren Hässlichkeit bis zum Teuflischen reicht?“

Coetzee traut Mailers Erklärungen nicht: „Wenn man Mailers Lektüre der Weltgeschichte als Krieg zwischen Gut und Böse, in dem Menschen als Statthalter übernatürlicher Kräfte agieren, Ernst nimmt, wird das Prinzip, dass Menschen für ihre Handlungen verantwortlich sind, auf den Kopf gestellt.“ Coetzee hält Mailer allerdings zugute, dass man Mailer nicht wörtlich nehmen müsse – wobei ihm das Teuflische als „Metapher für unaufgelöste und unauflösliche Konflikte innerhalb der menschlichen Psyche“ aber wenig originell erscheint. Als Neuformulierung von Dostojewskis Argument, dass es „keine großen Verbrechen“ gibt und dass „der Traum des Verbrechers von Größe nur eine andere atheistische Häresie“ sei, überzeugt ihn „Das Waldschloss“ deshalb nicht. dotz

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