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Kultur: Teure Tippfehler

Wenn ein Finanzamt einen falschen Bescheid erlässt, muss es für die Folgekosten aufkommen

Wer einen Schaden anrichtet, muss dafür einstehen. Diese Regel gilt nicht nur für Autofahrer, die einen Verkehrsunfall verursachen, sondern auch für Finanzämter. Das hat jetzt das Oberlandesgericht Koblenz in einem Urteil bestätigt.

Ursprung des zugrunde liegenden Rechtsstreits war ein Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs zu einer steuerlichen Frage. Diese Entscheidung wurde in der Fachpresse veröffentlicht. Wenige Wochen später erließ ein Finanzamt in Nordrhein-Westfalen einen Steuerbescheid, ignorierte dabei das Grundsatzurteil und setzte deshalb die Steuer in einem Bescheid zu hoch fest. Der Sachbearbeiter war in gutem Glauben, er wusste nichts von dem neuen Urteil.

Der Steuerpflichtige beauftragte seinen Steuerberater, Einspruch einzulegen. Das Finanzamt sah ein, dass es unrecht hatte und änderte den Steuerbescheid. Aber wer sollte den Steuerberater bezahlen?

Im Einspruchsverfahren trägt üblicherweise jeder seine Kosten. Das wollte der Steuerpflichtige nicht auf sich beruhen lassen und klagte vor dem Landgericht Koblenz. Da bekam er Recht, das Oberlandesgericht Koblenz bestätigte diese Entscheidung im Berufungsverfahren: Wenn ein Beamter einen Fehler macht, dann muss sein Dienstherr dafür haften. Hätte sich der Sachbearbeiter weitergebildet, hätte er keinen falschen Bescheid erlassen. Der Steuerpflichtige hätte keinen Einspruch einlegen und folglich keinen Steuerberater bezahlen müssen. Diesen Schaden muss das Finanzamt ersetzen.

Die Grundsätze dieses Urteils gelten aber weit über den entschiedenen Fall hinaus. Ein Schadenersatzanspruch kann immer entstehen, wenn ein Finanzamt einen Fehler macht. Zum Beispiel wenn es gegen eine klare Rechtslage entscheidet, sei es aus Unkenntnis oder aus Nachlässigkeit. Oder wenn der Sachbearbeiter sich vertippt oder verrechnet. Und das ist gar nicht so selten. Immerhin gaben die Finanzämter im letzten Jahr 2,17 Millionen von 3,38 Millionen Einsprüchen Recht: 64 Prozent aller Einsprüche waren also erfolgreich – so die Einspruchsstatistik des Bundesfinanzministers.

Die Frage, die unausgesprochen hinter diesen Fällen steht, ist die, wer die Risiken einer überlasteten Finanzverwaltung tragen soll. Hier hat das Oberlandesgericht Koblenz nun ein Machtwort gesprochen. Wer ein Steuerrecht schafft, das die Finanzverwaltung nicht mehr bewältigt, der muss eben Schadenersatz leisten.

Der Autor ist Fachanwalt für Steuerrecht und Sozius der Arrocha, Beyer und Neusel Steuer- und Rechtsberatungsgesellschaft bR.

Tibet Neusel

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