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The Afghan Whigs.

© Piper Ferguson

The Afghan Whigs im Berliner C-Club: Schrei lauter!

Hardrockmassaker: The Afghan Whigs gaben im Berliner C-Club ein ohrenbetäubendes Konzert.

Von Jörg Wunder

Gibt es eigentlich eine Steigerung für das Verb schreien? Brüllen, gellen, kreischen sind nur Synonyme. Anglizismen wie „shouten“ helfen nicht weiter, und auch die in der Popkritik beliebte Vokabel „röhren“ ist viel zu zaghaft, um das zu beschreiben, was Greg Dulli, der Mann am Mikrofon bei der Rockband The Afghan Whigs, im Konzert die meiste Zeit macht. Seinen robusten Stimmbändern entringt Dulli einen beeindruckend intensiven Pressgesang, dessen Schallpegel durch die übersteuerte Anlage im C-Club ohrenbetäubend wird. Und der sich mit dem Krawall der übrigen fünf Bandmitglieder an drei E-Gitarren, Bass, Schlagzeug, Keyboard und kaum hörbaren Streichinstrumenten zu einem Sound auftürmt, der einen wie eine Planierraupe überrollt.

Immerhin: Das begeisterungsfähige Ü-40-Publikum stört sich nicht daran, dass Strukturen und Melodiebögen älterer Stücke wie „Gentlemen“ oder „John The Baptist“ zu einem zähen Lärmteig eingeebnet werden, aus dem höchstens mal ein verzerrtes Gitarrensolo wie eine Rosine hervorlugen darf. Und wenn Dulli wie beim Intro von „Lost In The Woods“ mal seine grundsätzliche Fähigkeit zu differenzierterem Gesang beweist und mit groben Pranken auf dem E-Piano rumpatscht, ahnt man bereits, dass der Song nach spätestens zwei Minuten vom Gitarrengewitter und Cully Symingtons Kraftmeiergetrommel zerdroschen wird.

Aber Moment mal: Galten The Afghan Whigs nicht als die souligste unter all den Rockbands der Neunziger, die man unter dem Begriff Grunge zusammengefasst hat? Als Vorläufer eines Sounds, mit dem heute die Black Keys Erfolge feiern? Da muss es sich um ein Missverständnis handeln. Mit Soul hat dieses Hardrockmassaker nichts zu tun, und falls Dulli als junger Mann mal Soul in der Stimme hatte, so ist der 49-Jährige zu einem standfesten, aber völlig soulbefreiten Rocksänger mutiert. Geradezu tragisch zeigt sich das, als er in den aus drei Stücken des 1996er Albums „Black Love“ bestehenden Zugabenblock eine Hommage an den jüngst verstorbenen Bobby Womack einbaut. Was als Geste gut gemeint sein mag, tut weh: Womacks Blaxploitation-Hymne „Across 110th Street“ wird zur Bratzrock-Litanei. Einfühlungsvermögen mag keine Primärtugend harter Rockmusik sein, aber ihre völlige Abwesenheit ist auch nicht das Wahre.

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